Selbst ist der Mensch
begeben? Ist vielleicht eine ganz bestimmte Anordnung der genetischen Information notwendig? Auf der Ebene der Gen-Netzwerke besteht die primitive Form des Wertes aus einer Reihenfolge in der Genexpression, die zum Aufbau »homöostasefähiger« Organismen führt.
Eine tiefergehende Antwort muss man jedoch auf noch einfacheren Ebenen suchen. Wichtige Diskussionen beschäftigen sich mit der Frage, wie der Prozess der natürlichen Selektion das menschliche Gehirn hervorgebracht hat, dessen wir uns gegenwärtig erfreuen. Wirkte die natürliche Selektion auf der Ebene der Gene, der ganzen Organismen, der Organismengruppen oder auf allen diesen Ebenen gleichzeitig? Aus der Sicht der Gene – auch damit die Gene über viele Generationen überleben konnten – mussten die Gen-Netzwerke vergängliche und doch erfolgreiche Organismen hervorbringen, die ihnen als Vehikel dienen konnten. Und damit sich Organismen erfolgreich verhalten können, müssen die Gene ihren Aufbau mit einigen entscheidenden Anweisungen gelenkt haben.
Zu einem großen Teil müssen solche Anweisungen die Konstruktion von Instrumenten in die Wege geleitet haben, die eine effiziente Lebenssteuerung ermöglichen. Die neuen Vorrichtungen sorgen für die Verteilung von Belohnungen, das Verhängen von Strafen und die Vorhersage von Situationen, denen ein Organismus gegenüberstehen könnte. Kurz gesagt, führten Anweisungen in den Genen zur Konstruktion von Apparaten für die Ausführung dessen, was in komplizierten Lebewesen wie uns am Ende die Form von Emotionen im weitesten Sinne annahm. Eine frühe Skizze dieser Apparate war bereits in Organismen ohne Gehirn, Geist oder Bewusstsein vorhanden – in den zuvor beschriebenen Einzellern. Ihre größte Komplexität erreichten die Regulationsapparate jedoch in Lebewesen, die alle drei Merkmale besitzen: Gehirn, Geist und Bewusstsein. 7
Reicht Homöostase aus, um das Überleben zu gewährleisten? Eigentlich nicht, denn der Versuch, ein homöostatisches Ungleichgewicht nach seinem Auftreten zu korrigieren, ist ineffizient und gefährlich. Dieses Problem bewältigte die Evolution durch die Einführung von Mechanismen, mit deren Hilfe die Organismen ein Ungleichgewicht voraussehen können und von denen sie zur Erkundung von Umgebungen motiviert werden, die voraussichtlich eine Lösung bieten werden.
Zellen, Vielzeller und konstruierte Maschinen
Zellen und vielzellige Organismen haben manche Eigenschaften mit konstruierten Maschinen gemeinsam: Die Tätigkeit von Lebewesen wie auch von Maschinen dient einem Ziel, die Tätigkeit besteht aus Teilprozessen, die Prozesse werden von bestimmten anatomischen Teilen bewerkstelligt, die Unteraufgaben ausführen, und so weiter. Die Ähnlichkeit ist aufschlussreich und steht hinter den Metaphern, mit denen wir Lebewesen und Maschinen beschreiben. Wir bezeichnen das Herz als Pumpe, den Blutkreislauf als Rohrleitungssystem, die Gliedmaßen als Hebel und so weiter. Umgekehrt bezeichnen wir den Motor in einer komplizierten Maschine als ihr »Herz«, und ihre Steuerungsvorrichtungen nennen wir »Gehirn«. Maschinen, die sich unberechenbar verhalten, sind »launisch«. Diese Denkweise ist im Großen und Ganzen sehr aufschlussreich, steckt aber auch hinter der alles andere als hilfreichen Vorstellung, das Gehirn sei ein Digitalcomputer und das Bewusstsein eine Art Software, die auf diesem Computer läuft. Das eigentliche Problem liegt bei solchen Metaphern aber darin, dass sie den grundlegend unterschiedlichen Zustand der materiellen Bestandteile von Lebewesen und Maschinen außer Acht lassen. Vergleichen wir einmal ein Wunder des modernen Flugzeugbaus – eine Boeing 777 – mit einem beliebigen, großen oder kleinen lebenden Organismus. Man erkennt leicht eine Reihe von Ähnlichkeiten: eine Kommandozentrale in Form der Computer im Cockpit, Informationskanäle, die zu diesen Computern hin laufen und die Rückkopplungskanäle zur Peripherie steuern, eine Art Stoffwechsel – Triebwerke, die mit Brennstoff gespeist werden und Energie umwandeln – und so weiter. Dennoch besteht ein grundlegender Unterschied: Jedes Lebewesen ist von Natur aus mit umfassenden Homöostaseregeln und -vorrichtungen ausgestattet, bei einer Fehlfunktion geht der Organismus zugrunde, und was noch wichtiger ist: Jeder Bestandteil des Organismus (damit meine ich jede einzelne Zelle) ist seinerseits ein Lebewesen, das von Natur aus mit seinen eigenen Homöostaseregeln und -vorrichtungen ausgestattet
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