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Selbst ist der Mensch

Selbst ist der Mensch

Titel: Selbst ist der Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Damasio
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ist und bei Fehlfunktionen dem gleichen Risiko der Sterblichkeit unterliegt. Dazu gibt es im Aufbau der bewundernswerten Boeing 777 – vom Rumpf aus Metalllegierungen bis zum Material der kilometerlangen Kabel und Hydraulikleitungen – nichts Vergleichbares. Die hochrangige »Homöostase« der 777, die zwischen den Batterien intelligenter Bordcomputer und den beiden zur Steuerung notwendigen Piloten aufgeteilt ist, zielt auf die Erhaltung der ganzen, einheitlichen Struktur, nicht aber auf größere und kleinere physische Unterbestandteile.

Biologischer Wert
     
    Aus meiner Sicht sind geordnete, mit einem gesunden Leben vereinbare chemische Verhältnisse in seinem Körper für jedes Lebewesen zu jedem Zeitpunkt der wesentlichste Besitz. Dies gilt für die Amöbe ebenso wie für einen Menschen. Daraus ergibt sich alles andere. Seine Bedeutung kann man gar nicht genug betonen.
    Der Begriff des biologischen Wertes ist in den modernen Vorstellungen von Gehirn und Geist allgegenwärtig. Jeder von uns hat eine Vorstellung – oder vielleicht auch mehrere – davon, was das Wort Wert bedeutet, aber was ist biologischer Wert ? Betrachten wir einmal einige andere Fragen: Warum messen wir praktisch allen Dingen, die uns umgeben – Lebensmittel, Häuser, Gold, Schmuck, Gemälde, Aktien, Dienstleistungen, ja sogar anderen Menschen – , einen Wert bei? Warum verwenden alle so viel Zeit darauf, die mit solchen Gegenständen verbundenen Gewinne und Verluste zu berechnen? Warum tragen Gegenstände ein Preisschild? Wozu diese unaufhörliche Bewertung? Und welches sind die Maßstäbe, an denen solche Werte gemessen werden? Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als hätten solche Fragen in einem Gespräch über Gehirn, Geist und Bewusstsein keinen Platz. In Wirklichkeit haben sie diesen Platz durchaus, und wie wir noch genauer erfahren werden, ist der Begriff des Wertes sogar von zentraler Bedeutung, wenn wir die Evolution des Gehirns, seine Embryonalentwicklung und seine jeweils aktuell ablaufende Tätigkeit verstehen wollen.
    Unter den zuvor gestellten Fragen gibt es nur für die, warum Gegenstände ein Preisschild tragen, eine einigermaßen einfache Antwort. Unentbehrliche oder schwer zu beschaffende Gegenstände verursachen angesichts der Nachfrage nach ihnen oder wegen ihrer Seltenheit höhere Kosten. Aber warum müssen sie einen Preis haben? Nun, in der Regel gibt es nicht von allem so viel, dass jeder es haben könnte; die Preisbildung ist ein Mittel, um das Missverhältnis zwischen dem Verfügbaren und der Nachfrage danach in den Griff zu bekommen. Preisbildung führt Beschränkungen ein und schafft eine Art Reihenfolge für den Zugang zu Gegenständen. Aber warum gibt es nicht genug von allem für alle? Ein Grund liegt in der ungleichmäßigen Verteilung der Bedürfnisse. Bestimmte Dinge werden dringend gebraucht, andere weniger, manche überhaupt nicht. Erst wenn wir den Begriff des Bedürfnisses einführen, kommen wir endlich zum entscheidenden Aspekt des biologischen Wertes: Ein lebendes Individuum bemüht sich darum, sein Leben zu erhalten, und bei diesen Bemühungen ergeben sich zwingende Bedürfnisse. Wenn wir aber wissen wollen, warum wir überhaupt einen Wert zuordnen und welchen Maßstab wir dabei anlegen, müssen wir das Problem der Lebenserhaltung und der zugehörigen Bedürfnisse zur Kenntnis nehmen. Was die Menschen angeht, so ist die Lebenserhaltung nur ein Teil eines umfassenderen Problems, aber bleiben wir zunächst einmal beim Überleben.
    Bisher hat die Neurowissenschaft in der Beschäftigung mit diesem Fragenkomplex eine eigenartige Abkürzung gewählt. Man identifizierte mehrere chemische Substanzen, die auf diese oder jene Weise mit Belohnungs- oder Bestrafungszuständen zusammenhängen und demnach im erweiterten Sinn mit dem Wert assoziiert sind. Die Namen einiger bekannter derartiger Substanzen hören sich für viele Leser sicher vertraut an: Dopamin, Noradrenalin, Serotonin, Cortisol, Oxytocin, Vasopressin. Ebenso hat man in der Neurowissenschaft eine Reihe von Gehirnkernen identifiziert, die solche Substanzen herstellen und an andere Teile von Gehirn und Körper liefern. (Gehirnkerne oder Nuclei sind Ansammlungen von Neuronen unterhalb der Großhirnrinde in Hirnstamm, Hypothalamus und basalem Vorderhirn; man sollte sie nicht mit den Kernen der Eukaryontenzellen verwechseln – das sind einfache Beutel, in denen sich der größte Teil der zelleigenen DNA befindet.) 8
    Die komplizierten neuronalen

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