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Selbst ist der Mensch

Selbst ist der Mensch

Titel: Selbst ist der Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Damasio
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Korrelate von Gefühlen, ist die Geschichte mit der Inselrinde durchaus nicht zu Ende. Wenn wir Gefühle empfinden, wird parallel zur Inselrinde häufig der Cortex cingulatus anterior aktiv. Beide Strukturen sind durch gegenseitige Verknüpfungen eng verflochten. Die Inselrinde hat sowohl sensorische als auch motorische Funktionen, wobei allerdings die sensorische Seite das Übergewicht hat, der Cortex cingulatus anterior dagegen fungiert als motorische Struktur. 7
    Am wichtigsten ist natürlich, was bereits in den beiden vorangegangenen Kapiteln erwähnt wurde: Am Aufbau von Gefühlszuständen wirken auch mehrere subkortikale Regionen mit. Auf den ersten Blick sehen Regionen wie der Nucleus tractus solitarius oder der Nucleus parabrachialis wie Zwischenstationen für Signale aus dem Körperinneren aus, die dann an die dafür vorgesehenen Abschnitte des Thalamus weitergeleitet werden, damit sie von dort zur Inselrinde gelangen können. Aber wie bereits erwähnt, haben Gefühle ihren Ausgangspunkt wahrscheinlich in Aktivitäten dieser Kerne mit ihrer Sonderstellung: Beide sind die ersten Empfänger von Informationen aus den inneren Organen und dem inneren Milieu, und sie sind in der Lage, Signale aus dem gesamten Körperinneren zusammenzuführen. Auf dem Weg vom Rückenmark nach oben zum Endhirn sind diese Strukturen die ersten, die Informationen über eine umfassende innere Landschaft – Brustkorb und Bauchraum mit ihren Organen – ebenso integrieren können wie die organischen Aspekte von Gliedmaßen und Kopf.
    Die Behauptung, dass Gefühle subkortikal entstehen, ist angesichts der zuvor zusammenfassend dargestellten Befunde plausibel: Die vollständige Schädigung der Inselrinde bei intakten Strukturen des Hirnstamms ist mit einem breiten Spektrum von Gefühlszuständen vereinbar. Kinder mit Hydranenzephalie, denen die Inselrinde und andere somatosensorische Rindenbereiche fehlen, während die Strukturen des Hirnstamms vorhanden sind, zeigen Verhaltensweisen, die auf Gefühlszustände schließen lassen.
    Nicht weniger wichtig für die Entstehung von Gefühlen ist eine physiologische Anordnung, die in meinen Vorstellungen von Geist und Selbst eine zentrale Rolle spielt: Die Gehirnregionen, die am Aufbau von Körperkarten beteiligt sind und somit die Gefühle unterstützen, gehören zusammen mit der Quelle der Signale, die sie kartieren, zu einer Rückkopplungsschleife. Der Apparat im oberen Hirnstamm, dessen Aufgabe die Kartierung des Körpers ist, tritt in unmittelbare Wechselbeziehung zur Quelle der von ihm hergestellten Karte; es handelt sich um eine sehr enge Verbindung, ja fast um eine Verschmelzung von Körper und Gehirn. Gefühle von Emotionen erwachsen aus einem physiologischen System, das im Organismus keine Parallele hat.
    Zum Schluss dieses Abschnitts möchte ich noch an eine andere wichtige Komponente der Gefühlszustände erinnern: all die Gedanken, die von der gerade ablaufenden Emotion ausgelöst werden. Manche davon gehören, wie bereits erwähnt, zum Emotionsprogramm – sie werden hervorgerufen, während sich die Emotion entfaltet, so dass der kognitive Kontext mit der Emotion im Einklang bleibt. Andere Gedanken jedoch sind keine regelmäßigen Bestandteile des Emotionsprogramms, sondern spätere kognitive Reaktionen auf die Emotion. Die Bilder, die durch diese Reaktionen heraufbeschworen werden, sind am Ende zusammen mit der Repräsentation des Objekts, das die Emotion anfangs ausgelöst hat, der kognitiven Komponente des Emotionsprogramms und der Wahrnehmung des körperlichen Zustandes ein Teil der Gefühlswahrnehmung.

Wie fühlen wir eine Emotion?
     
    Im Wesentlichen gibt es drei Wege, wie das Gefühl einer Emotion erzeugt werden kann. Der erste und naheliegendste besteht darin, dass die Emotion den Körper verändert. Dies tut jede Emotion automatisch und sehr schnell, denn sie ist ein Aktionsprogramm, und das Ergebnis der Aktion ist eine Veränderung des Körperzustands (siehe Kapitel 4).
    Das Gehirn erzeugt also ständig einen Nährboden für Gefühle, weil permanent Signale aus dem Körper in seinem derzeitigen Zustand weitergeleitet, ausgewertet und an den zugehörigen Kartierungsstellen umgewandelt werden. Wenn sich eine Emotion entfaltet, spielt sich eine Reihe ganz bestimmter Veränderungen ab, und die Emotionsgefühle-Karten sind das Ergebnis, wenn eine Variation registriert wird, die die bisherigen in Hirnstamm und Inselrinde erzeugten Karten überlagert. Die Karten bilden das

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