Selbst ist der Mensch
James’ außergewöhnlichen Beitrag.
Gefühle der Emotion
An den Anfang möchte ich eine Definition stellen. Gefühle von Emotionen sind zusammengesetzte Wahrnehmungen aus erstens einem bestimmten körperlichen Zustand während einer tatsächlichen oder simulierten Emotion und zweitens einem Zustand veränderter kognitiver Ressourcen und der Anwendung bestimmter mentaler Drehbücher. In unserem Geist sind diese Wahrnehmungen mit dem Objekt verknüpft, das sie verursacht hat.
Wenn klar ist, dass Gefühle von Emotionen im Wesentlichen Wahrnehmungen unseres körperlichen Zustands während eines Emotionszustands sind, kann man vernünftigerweise sagen: Alle Gefühle von Emotionen enthalten eine Variation des Themas der ursprünglichen Gefühle, welche das in diesem Moment auch sein mögen; verstärkt werden sie durch andere körperliche Veränderungen, die mit Interozeption zusammenhängen können oder auch nicht. Ebenso wird deutlich, dass man den Nährboden solcher Gefühle in den bilderzeugenden Regionen des Gehirns finden kann, insbesondere in den somatosensorischen Regionen zweier verschiedener Abschnitte: dem oberen Hirnstamm und der Großhirnrinde. Gefühle sind Geisteszustände, die auf einem bestimmten Nährboden gedeihen.
Der wichtigste an Gefühlen mitwirkende Teil der Großhirnrinde ist die Inselrinde, ein gar nicht kleiner, aber unscheinbarer Teil der Rinde, der sich unter den Opercula frontalia und parietalia verbirgt. Sie sieht aus wie eine Insel, wie der Name schon vermuten lässt, und besteht aus mehreren Gyri. Der vordere Teil der Insula ist sehr alt und hat mit dem Geschmacks- und Geruchsempfinden zu tun; um die Sache noch komplizierter zu machen, ist sie nicht nur eine Plattform für Gefühle, sondern auch ein Auslöser für manche Emotionen. Insbesondere kann sie eine sehr wichtige Emotion auslösen: den Ekel, eine der ältesten Emotionen im Repertoire. Ekel war anfangs ein Mechanismus, der verhindern sollte, dass potenziell giftige Nahrung in den Körper gelangen konnte. Menschen ekeln sich nicht nur, wenn sie verdorbene Lebensmittel sehen und den damit verbundenen fauligen Geruch und Geschmack wahrnehmen, sondern auch in verschiedenen anderen Situationen, in denen Gegenstände oder Verhaltensweisen »verunreinigt« sind. Wichtig ist dabei, dass Menschen auch Abscheu empfinden, wenn sie moralisch verwerfliche Taten wahrnehmen. Deshalb wurden viele Abläufe, die beim Menschen zum »Abscheuprogramm« gehören, darunter auch die typischen Gesichtsausdrücke, ebenso für eine zwischenmenschliche Emotion herangezogen: für die Verachtung . Verachtung ist häufig eine Metapher für moralische Abscheu.
Der hintere Teil der Insula besteht aus modernen Neocortex, der mittlere Teil ist phylogenetisch von mittlerem Alter. Wie man schon seit Langem weiß, ist die Inselrinde an den Funktionen der inneren Organe beteiligt: Sie repräsentiert diese Organe und wirkt an ihrer Steuerung mit. Zusammen mit dem primären und dem sekundären somatosensorischen Cortex (SI und SII genannt) erzeugt die Inselrinde Karten des Körpers. Bezogen auf die inneren Organe und das innere Milieu ist sie die Entsprechung zur primären Seh-oder Hörrinde.
Ende der 1980er Jahre stellte ich eine Hypothese auf, wie die somatosensorischen Cortices an Gefühlen beteiligt sein könnten, und als vermutlichen Gefühlslieferanten nannte ich die Inselrinde. Damit wollte ich von der hoffnungslosen Vorstellung Abstand gewinnen, man könne den Ursprung von Gefühlszuständen in Regionen wie den Amygdalae suchen, die Handlungen antreiben. Wenn man damals von Emotionen sprach, erntete man Mitleid oder sogar Spott, und die Vorstellung, es könne für Gefühle einen eigenen Nährboden geben, führte zu Verblüffung. 5 Seit 2000 wissen wir aber, dass Aktivitäten der Inselrinde tatsächlich allen möglichen Gefühlen entsprechen, von jenen, die mit Emotionen assoziiert sind, bis hin zu anderen, die alle Schattierungen von Freude oder Schmerz abdecken und durch ein breites Spektrum von Reizen ausgelöst werden: durch das Hören von Musik, die man mag oder nicht mag, durch den Anblick von Bildern, die einem gefallen, zum Beispiel erotische Darstellungen, oder durch einen Ekel erregenden Anblick, durch das Trinken von Wein, durch Sex, durch einen Drogenrausch, durch die Entzugserscheinungen nach einem Drogenrausch und so weiter. 6 Die Idee, die Inselrinde sei ein wichtiger Nährboden für Gefühle, ist sicher richtig.
Geht es aber um die
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