Selbst ist der Mensch
Kapiteln 3 bis 6 so aussehen, als wüssten wir bereits alles, was wir wissen müssen. Es gibt aber noch mehr zu sagen. Bilder sind sicher im bewussten Geist die Quelle der zu kennenden Objekte , und zwar unabhängig davon, ob sich die Objekte in der Außenwelt (außerhalb des Körpers) oder im Körper selbst befinden (wie mein schmerzender Ellenbogen oder der Finger, den ich mir unabsichtlich verbrannt habe). Bilder sind nicht immer visueller Natur, sondern es gibt sie in allen sensorischen Varianten, und sie betreffen alle Objekte und Handlungen, die im Gehirn verarbeitet werden , gegenwärtige ebenso wie erinnerte, konkrete wie auch abstrakte. Dies umfasst sämtliche Muster, die außerhalb des Gehirns entspringen, ganz gleich, ob ihr Ursprung im Inneren des Körpers oder außerhalb davon liegt. Ebenso umfasst es Muster, die im Gehirn selbst durch Verbinden verschiedener Muster erzeugt werden. Mit seiner unbändigen Sucht, Karten herzustellen, kartiert das Gehirn auch seine eigene Tätigkeit – in gewisser Hinsicht spricht es mit sich selbst. Die Gehirnkarten über diese eigene Tätigkeit sind vermutlich die wichtigste Quelle für abstrakte Bilder, die beispielsweise die räumliche Anordnung und die Bewegung von Objekten, Beziehungen mehrerer Objekte, Geschwindigkeit und räumliche Bahn bewegter Objekte sowie die Gesetzmäßigkeiten des Auftauchens von Objekten in Raum und Zeit beschreiben. Solche Bilder lassen sich ebenso wie musikalische Kompositionen und Aufführungen in mathematische Beschreibungen umsetzen. Bei dieser Form der Bilderzeugung erbringen Mathematiker und Komponisten besonders gute Leistungen.
Nach der zuvor formulierten Arbeitshypothese erwächst der bewusste Geist daraus, dass eine Beziehung zwischen dem Organismus und einem zu kennenden Objekt hergestellt wird. Aber wie werden der Organismus, das Objekt und die Beziehung im Gehirn umgesetzt? Alle drei Komponenten bestehen aus Bildern. Das zu kennende Objekt wird als Bild kartiert. Das Gleiche gilt für den Organismus, seine Bilder sind allerdings etwas Besonderes. Und auch das Wissen, das einen Zustand des Selbst darstellt und die Entstehung von Subjektivität ermöglicht, setzt sich aus Bildern zusammen. Das gesamte Gewebe des bewussten Geistes ist aus dem gleichen Stoff gemacht: aus Bildern, die durch die Kartierungsfähigkeiten des Gehirns entstehen .
Alle Aspekte des Bewusstseins sind also aus Bildern aufgebaut, aber nicht alle Bilder sind im Hinblick auf ihren neuronalen Ursprung oder ihre physiologischen Eigenschaften gleich (siehe Abbildung 3.1 ). Die Bilder, mit denen die meisten zu kennenden Objekte beschrieben werden, sind konventionell in dem Sinn, dass sie durch Kartierungsvorgänge entstehen, wie wir sie für die äußeren Sinne erörtert haben. Die Bilder, die für den Organismus stehen, stellen jedoch eine besondere Gruppe dar. Sie haben ihren Ursprung im Körperinneren und repräsentieren Aspekte des Körpers während seiner Tätigkeit. Sie nehmen eine Sonderstellung ein und vollbringen eine besondere Leistung: Sie werden von Anfang an spontan und ganz natürlich gefühlt , bevor irgendeine andere am Aufbau des Bewusstseins beteiligte Tätigkeit abläuft. Es sind gefühlte Bilder des Körpers, ursprüngliche Körpergefühle, die Urbilder aller anderen Gefühle, einschließlich der Gefühle von Emotionen. Wie wir später noch sehen werden, greifen die Bilder, welche die Beziehung zwischen Organismus und Objekt beschreiben, auf Bilder beider Typen zurück – auf konventionelle sensorische Bilder ebenso wie auf Variationen der Körpergefühle.
Und schließlich erscheinen alle Bilder in einem gemeinsamen Arbeitsraum, der von verschiedenen frühen Sinnesfeldern der Großhirnrinde und im Falle der Gefühle von einzelnen Regionen des Hirnstamms gebildet wird. Dieser Bilderraum steht unter der Kontrolle mehrerer Zentren aus Cortex und Subcortex, deren Schaltkreise Kenntnisse über Dispositionen enthalten; solche Kenntnisse sind in ruhender Form in der im Kapitel 6 erörterten neuronalen Konvergenz-Divergenz-Architektur aufgezeichnet. Die Regionen können entweder bewusst oder unbewusst tätig werden, in beiden Fällen arbeiten sie aber auf genau dem gleichen neuronalen Nährboden. Der Unterschied zwischen der bewussten und der unbewussten Tätigkeit der beteiligten Regionen hängt vom Ausmaß des Wachzustands und vom Niveau der Selbst-Verarbeitung ab.
Was die neuronale Umsetzung angeht, unterscheidet sich der hier beschriebene
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