Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selbst ist der Mensch

Selbst ist der Mensch

Titel: Selbst ist der Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Damasio
Vom Netzwerk:
Begriff des Bilderraums deutlich von den Vorstellungen, die sich in den Arbeiten von Bernard Baars, Stanislas Dehaene und Jean-Pierre Changeux finden. Baars, der Urheber des Begriffs vom globalen Arbeitsraum, betrachtete diesen unter rein psychologischen Gesichtspunkten und lenkte die Aufmerksamkeit auf die intensive Kommunikation zwischen verschiedenen Bestandteilen des Geistesprozesses. Dehaene und Changeux benutzten den Begriff des globalen Arbeitsraums auch im Hinblick auf die neuronalen Grundlagen und bezeichneten damit die stark dezentralisierte, eng verknüpfte Neuronenaktivität, die dem Bewusstsein zugrunde liegen muss. Was das Gehirn angeht, so konzentrieren sie sich auf die Großhirnrinde als Lieferanten für Bewusstseinsinhalte, und eine Sonderstellung räumen sie dabei den – insbesondere präfrontalen – Assoziationsfeldern ein, die sie als notwendiges Element für den Zugang zu diesen Inhalten betrachten. In späteren Arbeiten stellte auch Baars den Begriff des globalen Arbeitsraums in den Dienst des Zugangs zu Bewusstseinsinhalten.
    Ich für meinen Teil konzentriere mich auf die bilderzeugenden Regionen, jenen Spielplatz, auf dem die Puppen der Show tatsächlich tanzen. Die Puppenspieler und ihre Schnüre befinden sich außerhalb des Bilderraums im Raum der Dispositionen, der in den Assoziationsfeldern der Stirn-, Schläfen-und Scheitelregionen angesiedelt ist. Diese Sichtweise entspricht den Befunden mit bildgebenden Verfahren und den Ergebnissen elektrophysiologischer Studien, in denen das Verhalten dieser beiden abgegrenzten Areale (Bilderraum und Dispositionsraum) im Verhältnis zu bewussten beziehungsweise unbewussten Bildern beschrieben wurde. Beispiele sind die Arbeiten von Nikos Logothetis oder Giulio Tononi über die Konkurrenz der beiden Augen oder die Untersuchungen von Stanislas Dahaene und Lionel Naccache über die Verarbeitung von Wörtern. Bewusste Zustände setzen eine frühzeitige Beteiligung der Sinnesorgane und der Assoziationsfelder voraus, denn nach meiner Sichtweise organisieren die Puppenspieler die Show von dort aus. 6 Ich bin davon überzeugt, dass meine Beschreibung des Problems nicht mit der Vorstellung von einem globalen neuronalen Arbeitsraum im Konflikt steht, sondern sie ergänzt.

Das Protoselbst
     
    Das Protoselbst ist der Trittstein, der für den Aufbau des Kern-Selbst gebraucht wird. Es ist eine integrierte Ansammlung verschiedener neuronaler Muster, die in jedem Moment die stabilsten Aspekte der physischen Struktur des Organismus kartieren . Typisch für die vom Protoselbst erzeugten Karten ist, dass sie nicht nur Bilder des Körpers erzeugen, sondern auch gefühlte Bilder des Körpers. Diese ursprünglichen Körpergefühle sind im normalen, wachen Gehirn spontan vorhanden.
    Die Beiträge zum Protoselbst stammen von interozeptiven übergeordneten Karten, übergeordneten Karten des Organismus und Karten der sensorischen Portale für die Außenwelt. Anatomisch betrachtet, entstehen diese Karten sowohl im Hirnstamm als auch in den Rindenfeldern. Der Grundzustand des Protoselbst ist der Durchschnitt aus seiner interozeptiven Komponente und den Beiträgen der Sinnesportale. Die Integration dieser vielfältigen, räumlich verteilten Karten findet durch wechselseitige Signalübertragung innerhalb des gleichen Zeitfensters statt. Eine einzelne Stelle im Gehirn, an der die verschiedenen Komponenten neu kartiert werden, ist nicht erforderlich. Im Folgenden wollen wir die Elemente, die zum Protoselbst beitragen, einzeln betrachten.

Übergeordnete interozeptive Karten
    Der Inhalt dieser Karten und Bilder wird aus den interozeptiven Signalen zusammengesetzt, die aus dem inneren Milieu und den Organen kommen. Solche Signale unterrichten das Zentralnervensystem laufend über den Zustand des Organismus; das Spektrum reicht dabei von einem optimalen oder Routinezustand bis zu problematischen Situationen, bei denen ein Organ oder Gewebe verletzt wurde und im Körper ein Schaden eingetreten ist. (Hier meine ich insbesondere die nozizeptiven Signale, welche die Grundlage für Schmerzempfindungen bilden.) Interozeptive Signale weisen auf die Notwendigkeit physiologischer Korrekturen hin und können sich, beispielsweise als Hunger- oder Durstgefühle, im Geist manifestieren. Unter dieser Überschrift lassen sich alle Signale einordnen, die Temperatur und unzählige andere Parameter des inneren Milieus übermitteln. Und schließlich sind interozeptive Signale auch an der Entstehung

Weitere Kostenlose Bücher