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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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vergessen nie. Irgendwann in zwanzig Jahren hängst du mal ganz ungünstig auf Teneriffa an einer Klippe. Dann wird dir deine Gattin lachend auf die Hand treten. Wegen der Blusensache von 72. Also aufgepasst.
    Später gibt’s Essen. Karpfen. Mit toten Augen starrt er zu dir hinauf. Mann und Fisch hätten Heiligabend gerne anders verbracht. Also macht Kinder. Im Privatfernsehen ist jederzeit zu besichtigen, dass das auch unter widrigsten Umständen geht. Tut es. Weihnachten wird sich verändern. Dann bist du ein Mann mit einer Mission: Du bist VATER!
    Du beginnst an Heiligabend mit dem Aufbau der LEGO-Ritterburg. Richtfest: erster Weihnachtsfeiertag, früher Abend.
    Feststellen, dass die Bodenplatte nach oben gehört: zweiter Weihnachtsfeiertag, mittags.
    Zwischendurch siebenhundert Mal mündliche Prüfung im Fach Pokémon, ein Pfund Marzipan aus der Couch gekärchert, zusammengeklappt, aufgestanden, weitergemacht. Morgens um eins steht die Ritterburg. Das wird sie künftig immer tun, denn du besitzt eine Heißklebepistole.
    Und dann liegst du im Bett. Du bist erschöpft, aber glücklich.
    Dein Kind hat dir ein Bild gemalt, auf dem du aussiehst wie eine Mischung aus Lord Voldemort und verdorbener Hühnerleber, aber du hast dich sehr gefreut.
    Du schläfst wie ein Stein, wachst aber gegen drei auf, weil du zur Toilette musst. Bist du tagsüber nicht zu gekommen. Du bist jetzt ein weihnachtlicher Vater, mehr kann man nicht erreichen, und du durchschreitest das Dunkel … und dann trittst du auf deinem Weg zur Keramik barfuß ins Playmobilpiratenschiff. Sei glücklich, trotz allem. Nächstes Jahr kommt LEGO vielleicht auf die Idee, irgendwas als Bausatz im Maßstab 1:3 rauszubringen. China zum Beispiel. Dieses Jahr ist alles gut. Keine Sorge. Glaub mir, es ist total normal, auch wenn es nicht so wirkt. Das ist die Liebe. Deine Familie schläft. Du bist wach. Du bist glücklich. Ist ganz eigentümlich. Gut, dir ragt grade ein Mast mit Piratenflagge aus dem Fuß, aber unterm Strich hast du alles, was du brauchst. Familie, Liebe, das komplette Paket. Ist doch so.
    Ich wünsche dir frohe Weihnachten … und denk dran:
    Ich hab die Regeln nicht gemacht.

Paulo Coelho
    Â»Der Mensch will immer, dass alles anders wird, und gleichzeitig will er, dass alles beim Alten bleibt.«
    Sagt Paulo Coelho .
    I s richtig. Mein Sohn ist acht und glaubt noch an den Weihnachtsmann.
    Ich versuche, den Glauben an den Weihnachtsmann jedes Jahr ein bisschen mehr zu zerstreuen, und jedes Jahr läuft es nach demselben Muster ab:
    Â»Papa, gibt’s wirklich den Weihnachtsmann?«
    Â»Jou.«
    Ende der Konversation. Mir sind da die Hände gebunden.
    Er glaubt eben an ihn.
    Also was soll’s? Wir Erwachsenen glauben ja auch, ein Liter Druckertinte kostet 1000 Euro.
    Der Weihnachtsmann ist ja bekanntlich von COCA-COLA erfunden worden, aber das ist mir egal. Älterer Herr, rote Kutte, weißer Bart. Läuft. Ist mir bedeutend lieber als das Konzept vom geschenkebringenden CHRISTKIND, weil ich mir da immer einen geburtsnassen Säugling vorstelle, der versucht, schwere Pakete durchs Wohnzimmer zu zerren.
    Und eine Erfindung von COCA-COLA zu sein, ist so ein Drama auch nicht, da gibt’s sicher Schlimmeres: Hätte IKEA den Weihnachtsmann erfunden, müssten wir uns unsere Geschenke am Arsch der Welt aus einem Hochregal ziehen. Ich hab nix gegen IKEA, aber irgendwann isses soweit, dass ich da einen Holzstuhl kaufen will und einen Sack Sägespäne und ’ne Tube UHU bekomme. Zurück zum Thema.
    Also kein Problem mit dem Weihnachtsmann. Sein düsterer Kompagnon, Knecht Ruprecht, der schäbige Kollege mit der Rute, ist das Problem. Kennt Kind nicht, glaubt Kind nicht dran. Beim Knecht ist schlecht. Ich kann MEINEM Kind nicht mal vernünftig erklären, wie das mit dem Züchtigungswerkzeug Ruprechts funktioniert, weil mein Sohn das nur im Zusammenhang mit dem Navi kennt: »Die Rute wird berechnet.«
    Stattdessen: Fragen über Fragen.
    Â»Bringt der Weihnachtsmann immer die Geschenke, Papa?«
    Â»Ja sicher, Sohn.«
    Â»Ist unser Nachbar der Weihnachtsmann?«
    Ach Gott, dachte ich, Herr Reinkober, der zugegeben sehr bärtige, rüstige Alte mit seinem auf Kehle dressierten Rauhaardackel. Der ist wohl eher der Wehrmachtsmann.
    Â»Eher nicht, Kind. Der Weihnachtsmann sieht anders aus.«
    Â»Kommt der Weihnachtsmann zu allen

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