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»Aufpolieren« wörtlich gemeint war. Mein gesamter Körper wurde geschrubbt und gereinigt, als habe man kein Vertrauen in meine Hygiene. Dann wurde ich von Kopf bis Fuß mit Lotionen und Ölen gesalbt, die nach Vanille rochen – einer von Maxons Lieblingsdüften, verkündete eine der Angestellten.
Als meine Haut glatt und samtig weich war, wandte man sich meinen Nägeln zu. Sie wurden gefeilt und poliert, und die harten Hautstückchen am Rand verschwanden auf wundersame Weise. Ich stellte klar, dass ich meine Fingernägel nicht lackiert haben wollte, worauf die Kosmetikerin so enttäuscht aussah, dass ich ihr erlaubte, sich wenigstens die Fußnägel vorzunehmen. Den dezenten Farbton, den sie schließlich auswählte, fand ich akzeptabel.
Mein Nagelteam zog weiter, und ich wartete auf die nächste Verschönerungsaktion. Fernsehleute kamen vorbei, und eine Kamera zoomte auf meine Hände.
»Nicht bewegen«, befahl eine Frau und betrachtete prüfend meine Finger. »Haben Sie etwa gar nichts auf den Nägeln?«
»Nein.«
Sie seufzte, und als die Aufnahme beendet war, wanderte das Team weiter.
Ich seufzte auch und bemerkte dabei aus dem Augenwinkel eine ruckartige Bewegung. Als ich hinschaute, sah ich ein Mädchen, das unter einem großen Umhang saß und ins Leere starrte. Ihr Bein zuckte unkontrolliert.
»Alles okay?«, fragte ich.
Sie fuhr hoch und schaute mich erschrocken an. »Die wollen mir die Haare blond färben. Sie finden, das sähe besser aus bei meiner Hautfarbe. Ich bin wahrscheinlich ein bisschen nervös.« Sie lächelte angespannt, und ich erwiderte das Lächeln.
»Du bist Sosie, nicht?«, sagte ich.
»Ja.« Jetzt sah ihr Lächeln echter aus. »Und du bist America?« Ich nickte. »Hab gehört, du bist mit dieser Celeste gekommen«, fuhr Sosie fort. »Die ist vielleicht grässlich!«
Ich verdrehte die Augen. Seit wir hier waren, hörte man Celeste alle paar Minuten irgendjemanden anschreien, der ihr aus dem Weg gehen oder ihr etwas bringen sollte.
»Kann man wohl sagen«, murmelte ich, und wir kicherten beide. »Also, ich finde deine Haare total schön.« Sie waren nicht zu dunkel und nicht zu hell und sehr üppig.
»Danke«, sagte Sosie.
»Wenn du deine Farbe nicht ändern willst, solltest du es auch nicht tun.«
Sosie lächelte, schien aber nicht sicher zu sein, ob ich ihr helfen oder mit meinem Rat schaden wollte. Bevor sie etwas erwidern konnte, stürzten sich bereits neue Stylistenscharen auf uns, die sich so laut Anweisungen zuriefen, dass wir nicht weiterreden konnten.
Man wusch mir die Haare, behandelte sie mit Spülung und Feuchtigkeitsspray und bürstete sie. Meine Mutter hatte mir die Haare immer auf eine Länge geschnitten – als das Beautyteam mit mir fertig war, waren sie insgesamt etwas kürzer und stufig. Ich gefiel mir gut, weil mein Haar lebendiger wirkte und auf interessante Weise das Licht einfing. Manche Mädchen bekamen Strähnchen, andere – wie Sosie – eine ganz neue Farbe.
Eine sehr attraktive junge Frau schminkte mich unterdessen. Ich wies sie an, sich zurückzuhalten, und war zufrieden mit dem Ergebnis. Einige Mädchen sahen mit Make-up jünger oder älter oder auch einfach hübscher aus. Ich dagegen war immer noch ich selbst. Dasselbe galt allerdings auch für Celeste, die – wie sollte es auch anders sein – dick auftragen ließ.
Ich hatte die ganze Zeit einen Morgenmantel getragen, und als das Make-up fertig war, führte man mich zu einem Ständer mit meinem Namen, an dem Kleider für eine Woche hingen. Potenzielle Prinzessinnen trugen wohl niemals Hosen.
Das Kleid, das man nun für mich auswählte, war cremeweiß, schulterfrei, tailliert und endete kurz vor dem Knie. Die junge Frau, die mir beim Ankleiden half, bezeichnete es als Tageskleid. Die Abendkleider seien schon auf meinem Zimmer, berichtete sie, und diesen Ständer hier würde man in Kürze nach oben bringen. Sie steckte mir eine silberne Nadel an, auf der mein Name glitzerte. Dann half sie mir in halbhohe Pumps und schickte mich zu einer der vier Boxen an der Wand, in denen jeweils ein Sessel vor einem einfarbigen Hintergrund stand. Davor war eine Kamera aufgebaut.
Ich setzte mich und wartete, bis eine Frau mit einem Klemmbrett in der Hand zu mir kam und mich noch um ein wenig Geduld bat, während sie ihre Papiere sichtete.
»Was passiert jetzt?«, fragte ich.
»Das gehört zur Sendung über das neue Styling der Erwählten. Heute Abend läuft ein Beitrag über Ihre Ankunft, am Mittwoch
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