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einige Mühe, die drei loszuwerden. Ich wollte nicht unhöflich sein, musste aber dringend eine Weile alleine sein.
»Ich muss mich kurz ein bisschen hinlegen. Sie haben doch bestimmt auch einen anstrengenden Tag hinter sich mit all den Vorbereitungen. Am besten ruhen wir uns alle ein wenig aus, und Sie wecken mich dann rechtzeitig, bevor ich nach unten gehen muss«, schlug ich vor.
Die drei verbeugten sich und bedankten sich überschwänglich, was ich abzuwiegeln versuchte. Dann war ich alleine, kam aber nicht zur Ruhe. Ich legte mich hin, doch mein Körper wollte sich einfach nicht entspannen an diesem Ort, der so gar nicht zu mir passte.
Man hatte mir eine Geige, eine Gitarre und einen prachtvollen Flügel ins Zimmer gestellt, aber mir war in diesem Augenblick nicht nach Musik zumute. Meine Reisetasche stand am Fuß meines Betts, aber sie auszupacken fand ich viel zu anstrengend. Ich wusste, dass in Badezimmer, Schrank und Schubladen hübsche Dinge auf mich warteten, hatte aber keine Lust, sie mir anzuschauen.
Stattdessen blieb ich einfach reglos auf dem Bett liegen.
Als meine Zofen an die Tür klopften, schien es mir, als wären nur Minuten vergangen, nicht mehrere Stunden. Ich öffnete ihnen und ließ sie mich geduldig ankleiden, auch wenn ich das seltsam fand. Die drei waren jedoch so eifrig und wollten unbedingt hilfreich sein, dass ich es nicht übers Herz brachte, sie wieder wegzuschicken.
Mit zarten Nadeln steckten sie meine Haare zurecht und frischten mein Make-up auf. Das Abendkleid – das sie, wie auch den Rest meiner Garderobe, selbst genäht hatten – war dunkelgrün und bodenlang. Ohne die Schuhe mit halbhohen Absätzen wäre ich über den Saum gestolpert. Um Punkt sechs Uhr klopfte Silvia an die Tür, um mich und meine drei Nachbarinnen abzuholen. Wir warteten an der Treppe auf die anderen und gingen dann nach unten in den Damensalon. Marlee gesellte sich zu mir.
Das Klacken von fünfunddreißig Paar hochhackigen Schuhen hörte sich an wie eine elegante Stampede. Hier und da konnte man leises Murmeln ausmachen, doch die meisten Mädchen schwiegen. Die Türen zum Speisesaal waren geschlossen, als wir vorbeikamen, und ich fragte mich, ob sich die Königsfamilie jetzt wohl darin aufhielt. Und vielleicht ihr letztes gemeinsames Mahl zu dritt zu sich nahm.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, bei einer Familie zu Gast zu sein, die wir noch nicht einmal kennengelernt hatten.
Der Damensalon hatte sich inzwischen verändert: Spiegel und Kleiderständer waren verschwunden, und man hatte im ganzen Raum Tische und Stühle und einige bequem wirkende Sofas verteilt. Marlee sah mich verschwörerisch an, wies mit dem Kopf auf eines der Sofas, und wir ließen uns darauf nieder.
Als alle einen Platz gefunden hatten, wurde der Fernseher eingeschaltet, und der Bericht begann. Zunächst gab es die üblichen Informationen – Haushaltspläne, das Kriegsgeschehen, ein weiterer Rebellenangriff im Osten –, und in der letzten halben Stunde kommentierte Gavril die Bildberichte von uns.
»Hier verabschiedet sich Miss Celeste Newsome von ihren zahlreichen Verehrern in Clermont. Es dauerte über eine Stunde, bis die Fans die bezaubernde junge Dame gehen ließen.«
Celeste lächelte zufrieden, als sie auf dem Bildschirm erschien. Sie saß neben Bariel Pratt, deren glatte, weißblonde Haare ihr bis zur Hüfte reichten und deren buchstäblich herausragendstes Merkmal ihre gewaltigen Brüste waren, die förmlich aus ihrem trägerlosen Kleid hervorquollen.
Bariel war hübsch, aber auf eine gewöhnliche Art, eher in Celestes Stil. Mir kam der Gedanke, dass die beiden nebeneinander saßen, weil sie sich als stärkste Konkurrentinnen erkannt hatten und einander scharf im Auge behalten wollten.
»Die anderen Mädchen aus dem Osten waren nicht minder beliebt«, hörte man Gavril. »An Ashley Brouilettes dezenter vornehmer Art erkennt man sofort die wahre Dame. Wenn sie durch die Mengen schreitet, sieht sie beinahe so bescheiden und bezaubernd aus wie die Königin selbst.
Und Marlee Tames aus Kent war ein Temperamentbündel, als sie heute beim Abschied die Nationalhyme mitsang.« Man sah die lächelnde Marlee, wie sie Menschen aus ihrer Region umarmte. »Mehrere Leute, die wir heute interviewt haben, halten ihr die Daumen.«
Marlee nahm meine Hand und drückte sie, und damit wurde für mich eines klar: Sie war auch meine Favoritin.
»Ebenfalls aus der Region von Miss Tames stammt America Singer, eine von nur drei
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