Selection
glaubten.
»Ich denke, du solltest es machen«, sagte er unvermittelt.
»Was?«
»Dich für das Casting bewerben.«
Ich starrte ihn aufgebracht an. »Bist du verrückt?«
»Hör mir zu, Mer«, raunte er mir ins Ohr. Das war nicht fair von ihm, weil er genau wusste, dass mich das ganz durcheinanderbrachte. Seine Stimme klang so kehlig und zärtlich, als wolle er mir etwas Romantisches sagen, doch das Gegenteil war der Fall. »Wenn du es besser haben könntest im Leben und du würdest diese Chance nicht nutzen – das könnte ich mir niemals verzeihen. Das könnte ich einfach nicht ertragen.«
Ich atmete heftig aus. »Es ist doch sowieso Blödsinn. Da werden sich Tausende bewerben. Ich würde es nicht mal in die Endrunde schaffen.«
»Dann kannst du dich ja genauso gut auch anmelden.« Er streichelte meine Arme. Wenn er das tat, war ich außerstande, ihm zu widersprechen. »Ich will doch nur, dass du es versuchst. Wenn du in die Endrunde kommst, nimmst du daran teil. Und wenn nicht, muss ich mir jedenfalls nicht vorwerfen, dass ich dir im Weg gestanden habe.«
»Aber ich liebe den Prinzen nicht, Aspen. Ich mag ihn nicht mal. Ich kenne ihn nicht mal persönlich.«
»Niemand kennt ihn persönlich. Und das kommt noch hinzu: Vielleicht würdest du ihn dann ja doch mögen.«
»Hör auf, Aspen. Ich liebe dich .«
»Ich liebe dich auch.« Er küsste mich zärtlich. »Und wenn du mich liebst, ziehst du das durch, damit ich mir keine Vorwürfe machen muss.«
Immer, wenn er sich selbst ins Spiel brachte, war ich wehrlos. Weil ich ihn nicht kränken konnte und alles tun wollte, um ihm das Leben zu erleichtern. Und letztendlich würde ich recht behalten: Es war ausgeschlossen, dass ich das Casting gewinnen würde. Ich konnte das Ganze also ruhig mitmachen, damit alle zufrieden waren, und falls ich nicht Siegerin wurde, würden alle das Thema schnell vergessen. Wenn meine Mutter merkte, dass ich willig war, würde sie vielleicht sogar ein Auge zudrücken, sobald Aspen genug Geld gespart hatte und um meine Hand anhalten würde.
»Bitte?«, raunte er mir ins Ohr, und mein Körper schien zu schmelzen.
»Also gut«, flüsterte ich. »Ich mach es. Aber du musst wissen, dass ich nicht irgendeine Prinzessin sein möchte. Sondern nur deine Frau.«
Er streichelte mein Haar.
»So wird es sein.«
Vielleicht bildete ich es mir ein, aber ich hätte schwören können, dass ihm Tränen in die Augen traten. Aspen hatte viel durchgemacht, aber ich hatte ihn nur einmal weinen sehen: als sein Bruder auf dem Marktplatz ausgepeitscht wurde. Der kleine Jemmy hatte auf dem Markt Obst gestohlen. Mit einem Erwachsenen hätte man kurzen Prozess gemacht und ihn, je nach Schwere des Diebstahls, ins Gefängnis geworfen oder zum Tode verurteilt. Weil Jemmy aber erst neun war, wurde er nur ausgepeitscht. Aspens Mutter hatte damals nicht genug Geld gehabt, um ihn zum Arzt zu bringen, weshalb Jemmys Rücken nun völlig vernarbt war.
An jenem Abend hatte ich aus dem Fenster geschaut, um zu sehen, ob Aspen ins Baumhaus kommen würde. Als ich ihn erspähte, ging ich sofort rüber. Er weinte eine Stunde lang in meinen Armen und sagte, wenn er nur mehr gearbeitet und mehr verdient hätte, dann hätte Jemmy nicht stehlen müssen. Es sei so ungerecht, dass Jemmy leiden musste, nur weil er versagt hätte.
Es war qualvoll, sich das anzuhören, denn natürlich war es nicht wahr. Aber es hatte keinen Sinn, ihm das zu sagen; er wollte es nicht hören. Aspen trug immer die Bürde aller Wünsche seiner geliebten Menschen mit sich herum. Da ich wunderbarerweise einer von ihnen war, versuchte ich meine Last möglichst klein zu halten.
»Singst du mir ein Schlummerlied?«, fragte er jetzt.
Ich lächelte. Es machte mir immer Freude, ihm vorzusingen, und ich sang leise ein Schlaflied für ihn.
Nach ein paar Minuten begann er gedankenverloren meine Schläfe zu streicheln. Dann küsste er meinen Hals und meine Ohren. Schob meinen Ärmel hoch und ließ seine Lippen über meinen Arm wandern. Mein Atem ging schneller. Das machte Aspen immer, wenn ich für ihn sang. Vielleicht genoss er mein heftiges Atmen sogar noch mehr als meine Lieder.
Kurz darauf lagen wir zusammen auf dem schäbigen Läufer. Aspen zog mich auf sich, und meine Hände strichen durch seine festen Haare, was sich wunderbar anfühlte. Er küsste mich hart und verlangend, und seine Finger gruben sich in meine Taille, meinen Rücken, meine Hüften, meine Schenkel.
Wir waren aber immer vorsichtig und
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