Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
uns. Und jetzt ham mir ja die drei: meine Mama, die Agnes und nun auch noch Malwine. Damit wird dann ja wohl erst amal wieder ein wenig Ruhe sein.« Sie seufzte.
»Kreszentia?«, fragte Franziska, und erst jetzt fiel ihr auf, dass Teres ein schwarzes Kleid trug.
»Ja«, Teres schniefte und putzte sich die Nase »meine Mama ist gestorben.«
»Oh, das tut mir leid.« Franziska dachte an die beiden Frauen, die sich ständig mit Schimpfworten bedacht hatten, trotz aller Streitereien aber nicht ohne einander konnten.
»Wann?«
»Vor vier Monaten, Anfang Mai«, sagte Teres. »Grad als die Löwenmäulchen blühten. Die hat sie besonders gern g’habt. Ihren Vierundneunzigsten wollt sie in diesem April nicht mehr feiern, ›Lassts uns lieber auf den Fünfundneunzigsten warten‹, hat sie g’sagt, aber jetzt weiß ich, dass sie genau g’wusst hat, dass sie’s bis dahin nicht mehr schaffen würd.«
Nachdenklich fügte Otmar hinzu: »Und danach ist sie einfach in der Küche umgefallen. Am 17. Mai. Akkurat drei Wochen nach ihrem Geburtstag.«
»Sie hat immer g’sagt: ›Eines Tages fall ich in der Küche um, und dann ist es auch gut gewesen.‹ Und genauso ist es ja auch kommen. Trotz allem fehlt sie mir so. Ich hätt nie denkt, dass ich das mal sagen würd.«
Otmar nickte und suchte Franziskas Blick. »Auch ich denk immer noch, dass gleich die Küchenklappe hochgeht, und dann steht sie da und keift und schimpft.«
Franziska dachte an Malwine. Die hätte sicher gern noch eine Zeit lang gelebt. Aber irgendjemandem schien das nicht gepasst zu haben.
Erst jetzt bemerkte sie, dass Polizeiobermeister Adolf Schmiedinger die ganze Zeit schweigend auf seine Hände gestarrt hatte. Er schien wirklich um die Brunnerin zu trauern. Sie hatte nicht geahnt, dass sie sich so nahegestanden hatten.
»Je mehr ich darüber nachdenke«, murmelte Otmar, »desto eher glaub ich, dass allein die Agnes es richtig gemacht hat. Wenn’s bei mir mal so weit ist, mach ich es genau wie die. Geh irgendwohin, wo die mir versprechen, dass ich natürlich sterben darf. Ohne Infusion, ohne Notoperationen, ohne Herz-Lungen-Maschine und ohne künstliche Ernährung. Umgeben von Menschen, die mich mögen.«
»Wann ist denn die Agnes Harbinger gestorben?« fragte Franziska.
»In derselben Woche wie die Kreszentia. Genau zwei Tage nach ihr. Hochwürden Moosthenninger hatte damals sogar vorgeschlagen, eine Doppelbeerdigung zu machen – sozusagen zwei auf einen Streich.« Otmar schüttelte den Kopf über ein derart absurdes Anliegen. »Aber wir wollten unseren eigenen Abschied. Jeder braucht seinen eigenen Abschied, ebenso wie jeder seine eigene Geburt hat. Wo kämen wir denn da hin?«
Alle schwiegen.
»Fünfundsiebzig Jahre alt ist sie geworden, die Agnes«, sagte Teres nach einer Weile und seufzte. »Seitdem kümmert sich die Martha Moosthenninger, die alte G’schaftlhuberin, um ihre Seligsprechung und steht vor deren Grab und wartet auf Wunder. Manchmal denk ich, bei uns im Dorf laufen lauter Spinnerte herum.«
»Da magst recht haben.« Schmiedinger nickte.
»Sind denn schon Wunder passiert?«, wollte Franziska wissen.
Teres hob die Schultern, verdrehte die Augen und sagte: »Angeblich ist sie der Frau vom Bürgermeister erschienen und hat der gesagt, die soll sich ein Treibhaus in den Garten stellen und Kräuter züchten. Und prompt hat der Waldmoser seiner Elise ein Glashaus kauft. Sonst funktioniert er ja ned so schnell, der Depp der. Die Frau züchtet jetzt weiße Lilien da drinnen, mit einem ganz besonderen Duft. Und zwar so, dass die akkurat bei der Hochzeit von der ihrem Sohn im nächsten Mai in der vollsten Blüte stehn. Der heiratet nämlich in den Adel hinein. Das weiß ich von unserem Briefträger, weil der immer die Blumenzwiebeln dort abliefert, die sich die Waldmoser Elise von den Chinesen schicken lässt.«
Meinrad Hiendlmayr wurde an diesem Vormittag von Joschis Gekläff und dem Lärm anfahrender Autos geweckt. Der Hund hatte die ganze Nacht vor Malwines Schlafzimmertür gelegen und auf sein Frauchen gewartet. Meinrad hätte sich am liebsten dazugelegt. Der Beagle wusste nicht, dass Malwine für immer verschwunden war. Es war nicht gerecht, dass Herrchen oder Frauchen vor ihren Haustieren starben. Überhaupt war der Tod eine verdammt ungerechte Sache.
Er schlich in die Küche, öffnete eine Dose Hundefutter und stellte sich dann hinter die zugezogenen Vorhänge seines Schlafzimmerfensters im ersten Stock.
Unten im Hof standen
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