Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Zeitdifferenz zum Nullmeridian exakt, warten Sie mal …« Der Computer piepste, und auf dem Bildschirm erschienen Unmengen von Zahlenkolonnen.
»Donnerwetter«, meinte Martha bewundernd. Der Vermesser starrte schweigend und mit zusammengezogenen Augenbrauen auf den Bildschirm.
»Wir waren nämlich erst auf dem Hügel, du weißt schon, da beim Runenstein, wo diese G’schicht mit dem Waldmenschen passiert ist«, erzählte Martha Moosthenninger.
»Armin Dobler«, unterbrach Malwine sie und seufzte. »So ein guter Mensch, er fehlt mir immer noch so sehr, jeden Tag. Ich kann’s dir gar ned sagen. Der hat’s gewusst, alles hat er gewusst. Alle Dinge hat der voraussehn können.«
»Ja, so ein Schmarrn aber auch!« Martha Moosthenninger schüttelte sich und murmelte vor sich hin: »Ein ung’waschnes Subjekt war das, das sagt auch der Bürgermeister, und g’lebt hat er auf unsre Kosten. Sei’s drum, auf jeden Fall waren wir scho um acht Uhr in der Früh dort beim Runenstein und ham mit der Messung begonnen.«
»Was für eine Messung denn?«
»Um den Standort zu bestimmen«, belehrte Martha ihr Gegenüber und verdrehte demonstrativ die Augen über so wenig Sachverstand.
»Den Standort kann ich dir auch so sagen«, rechtfertigte Malwine sich. »Du bist ungefähr anderthalb Kilometer südöstlich von Kleinöd. Das hat mein Mann immer g’sagt, wenn jemand wissen wollt, wo wir herkommen. Aber danach musst er immer auch noch erklären, wo Kleinöd liegt. Die Leut kennen sich in der Welt einfach ned aus.«
»Ich mein mit Standort den Platz, an dem das Heil zu finden ist«, präzisierte Martha Moosthenninger mit pathetischem Unterton. »Denn wenn sich die Weissagung deiner Schwester erfüllt, wird dieser Ort zu einer Quelle des Heils, zu einer Stätte, durch die Kleinöd zu Ruhm und Ehre kommen wird.«
»Ruhm und Ehre, wer braucht das schon. Und satt wird man davon auch nicht!«, antwortete Malwine trotzig und stampfte mit ihrem Gummistiefel auf. »Ruhm und Ehre stellen dir kein Frühstück auf den Tisch. Also ich koch uns jetzt erst mal eine frische Kanne Kaffee, damit der Kopf wieder klar wird.« Wütend, aber auch erleichtert über ihre Schimpferei stiefelte sie samt Joschi zurück ins Haus.
»Das ist ja eine wunderbare Geschichte«, stellte Franziska fest, nachdem Adolf Schmiedinger seinen Bericht beendet hatte. »Und ist da was dran an der Quelle?«
»Man sagt, dass die Gicht verschwindet. Einige sind schon oben gewesen.«
»Dann sollten wir jetzt auch mal hochfahren.«
Kapitel 4
Als Meinrad Hiendlmayr aus dem Bad kam, war der Spuk vorbei. Einzig die Reifenspuren erinnerten daran, dass da gerade noch drei Autos gestanden hatten. Er sah auf die Uhr, auf den Hund und dann wieder auf die Uhr. Er konnte Joschi nicht mitnehmen zur Arbeit, ihn aber ebenso wenig den ganzen Tag ins Haus sperren.
Der Hund suchte sein Frauchen. Überall. Meinrad hatte die Tür zu Malwines Schlafzimmer geöffnet, und Joschi war hineingestürzt, hatte Schränke umrundet, war winselnd unters Bett gekrochen, hatte von dort Staubmäuse ans Licht gezerrt und war schließlich mit einem ihrer Schuhe in der Schnauze und mit eingezogenem Schwanz durch den langen Flur bis in die Küche gekrochen. Meinrad öffnete ihm eine Dose seines Lieblingsfutters. Das schlabberte er wenigstens.
Dann holte er die völlig verstaubte Hundehütte aus dem Holzstadel. Malwine hatte sie schon längst verbrennen wollen, aber sie war zu sperrig für den Kachelofen. Weder er noch sie hatten Zeit gefunden, sie mit der Axt zu zerschlagen. Die Hütte polsterte er mit Malwines Kleidung aus, schleppte sie dann in den umzäunten Gemüsegarten und führte Joschi in seine Tagesfreizeit. »Da bleibst schön brav, bis ich wiederkomm. Gassi gehn kannst hier auch, gell.« Am liebsten hätte er sich neben den Hund gesetzt und gemeinsam mit ihm getrauert.
Mit hängenden Ohren und traurigen Augen sah Joschi ihm nach, als er vom Hof fuhr.
Meinrad Hiendlmayr war Lagerarbeiter im Baumarkt neben dem Großmarkt in Plattling und dafür verantwortlich, dass die Regale rechtzeitig nachgefüllt wurden. Allabendlich ging er die Listen durch, auf denen vom Warenwirtschaftssystem die Bestellvorschläge errechnet worden waren, änderte oder ergänzte hier und da eine Zahl und schickte die Bestellungen ab.
Er hatte seine Lagerhaltung gut im Griff. Sie war sein Leben. Bis vor wenigen Monaten hatte er weder Feiertage noch Wochenenden gemocht und wäre am liebsten jeden Morgen um halb
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