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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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arbeitet«, sagte ich, »sie sucht dringend...«
    »Paßt wie gerufen! Aber sie mußte in genau sieben Monaten ohne Murren wieder ausziehen und darf meinem Vermieter nichts von diesem Deal verraten. 700 Mark kalt, schöner großer Altbau. Willst du mal sehen? Ist gleich um die Ecke.«
    Um die Ecke bedeutete zwei U-Bahn-Stationen. Mir gefiel die Wohnung auf Anhieb, selbst die häßlichen Tapeten verschwanden fast ganz unter aufgenagelten dunkelroten Baumwolldecken mit Spiegelstickerei. Es gab zwei Zimmer, ein Bad und eine große Küche. Ich freute mich darauf, Kathrin die gute Nachricht zu überbringen. Erst als ich Stunden später in der Bahn saß - wir hatten uns nicht für eine gemeinsame Heimfahrt verabredet -, kam mir eine noch bessere Idee.
    So wie ich Cora telefonisch nicht erreichen konnte und völlig im ungewissen über die Dauer ihres Honeymoons blieb, so sollte sie mich demnächs t verzweifelt suchen müssen.
    Ich wollte mich fürs erste an Kathrin halten und in Frankfurt bei ihr um Asyl ersuchen.
    Mitten in diesen Überlegungen wurde ich von einem seltsamen Mitreisenden gestört. Er saß als einziger in meinem
    Abteil und begann in einem fremdartigen Dialekt auf mich einzureden. Der Österreicher trug einen dunkelgrauen Lodenanzug mit grüner Paspelierung und Hirschhornknöpfen sowie eine rote, bestickte Krawatte zum lindgrünen Hemd.
    Die Altersflecken im Gesicht wiesen ein noch unruhigeres Muster auf. Ob es kein Bier im Zug gebe, fragte er mich. Ich zuckte bedauernd die Schultern. Nach wenigen Minuten wußte ich fast alles über ihn. Er besaß einen gutgehenden Souvenir-und Trachtenladen in Innsbruck und war nach einem Messebesuch gerade wieder unterwegs nach Hause.
    Da er nett und harmlos wirkte, erzählte ich ihm auch ein wenig von mir. Als ich von meinen Erfahrungen als Fremdenführerin in Florenz berichtete, horchte er auf, denn er suchte dringend eine Italienisch sprechende Verkäuferin.
    Belustigt ließ ich mir aufzählen, welche Artikel in seinem Geschäft zu haben waren. Kuhglocken, Hampelmänner und -frauen in Tiroler Tracht, Hosenträger mit Edelweißstickerei, Armbrüste, Schweizer Offiziersmesser, Spazierstöcke und Hüte aller Art. Die meisten dieser Souvenirs würden zwar in der Region hergestellt, sagte er, aber nicht alle. Zum Beispiel beziehe er Schlipse wie seinen eigenen - stolz zeigte er auf das gestickte Murmeltier - aus Taiwan. Im übrigen seien die Japaner neben den Amerikanern seine wichtigsten Kunden, allerdings kämen in letzter Zeit auch immer mehr Italiener. »Die Itaka tat'n a Freid an Eana hab'n. A fesches Dirndl tat Eana steh'n.«
    Sollte es mich tatsächlich nach Innsbruck verschlagen?
    Immerhin würde mich Cora überall suchen, nur nicht in Österreich, wo ich im Trachtenkleid Mozartkugeln verkaufte.
    Für alle Fälle notierte ich mir seine Anschrift, und der alte Charmeur küßte mir zum Abschied die Hand.
    Kathrin schien vom Frankfurter Projekt nicht im gleichen Maß begeistert zu sein wie ich, aber ohne ihr Geld konnte ich mir die Wohnung nicht leisten. »Falls es keine Zentralheizung gibt, brauchst du gar nicht weiterzureden. Liegen die Zimmer nach vorn, ist viel Verkehr auf dieser Straße?
    Wenn man nämlich vor lauter Krach kein Fenster aufmachen kann, kommt es nicht in Frage! Wie weit ist es von dort bis zur Volkshochschule? Und nach einem halben Jahr soll ich schon wieder ausziehen? Dann lohnt es sich ja kaum, neu zu tapezieren.«
    Das sei absolut nicht nötig, Möbel seien vorhanden, geradezu ideal für eine Frau, die nicht viel mehr besaß als einen Laptop, einen Futon und eine Katzensammlung, versicherte ich. Außerdem könne sie dieses halbe Jahr dafür nutzen, um in Ruhe etwas Endgültiges zu finden.
    »Hm, hm«, knurrte sie, »das muß ich mir erst einmal ansehen.« Sie rief die Ethnologin an und verabredete für den nächsten Tag einen Besichtigungstermin.
    Schließlich rückte ich mit meinem Angebot heraus, ihr beim Umzug zu helfen und ein paar Tage mitzukommen.
    Sie nickte dankbar, während ich bereits überlegte, wann ich Bela nach Frankfurt holen sollte.
    Kathrin war ebenfalls in Gedanken vertieft. »Einen Vorteil hat die Sache schon«, meinte sie, »die Wohnung liegt weit entfernt von unserem früheren Haus. Mein Mann kann mir nicht so schnell im Supermarkt über den Weg laufen.
    Außerdem steht ein fremdes Namensschild an der Tür; im Telefonbuch ist die Ethnologin eingetragen, und ich brauche keinen eigenen Anschluß anzumelden.«
    »Warum hast du

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