Selige Witwen
anschließend wieder rechtzeitig in Darmstadt sein.
Aber war mir Kathrin überhaupt so wichtig? Ich kam zu dem Ergebnis, daß mir weiche Typen wie Andy und harte Frauen wie Cora im Moment nicht guttaten. »Kathrin«, sagte ich entschlossen, »Cora hat sich unmöglich benommen: Sie
behauptete, nach ein paar Tagen käme sie zurück, und dann hat sie mich zwei Wochen ohne Nachricht schmoren lassen! Zur Strafe soll sie mich suchen müssen! Vielleicht ist das die einzig richtige Maßnahme, um ihr eine Lehre zu erteilen. Ich bleibe jedenfalls eine Weile bei dir, bevor ich nach Florenz zurückkehre.«
Kathrin sagte nichts, so daß ich im Zweifel blieb, ob ihr meine Gesellschaft überhaupt willkommen war.
Erst als wir vor der Wohnung im Frankfurter Westend ankamen, sagte sie: »Okay, von mir aus. Es ist ganz praktisch, daß Bela nicht hier ist, so kannst du mir tatsächlich mit Rat und Tat beistehen.«
Wenn ich gewußt hätte, daß sich diese Hilfe nicht bloß auf Orchideengießen und Möbelrücken beschränken sollte, dann hätte ich mir diesen Schritt sicher gründlich überlegt.
Vorerst gab es Probleme mit unserer Kleidung, denn die Ethnologin hatte wohl nur das Nötigste mitgenommen und die
Schränke nicht freigeräumt. Kurz entschlossen packte ich ihren Kram in jenen Müllsack, in dem ich meine Rotkreuzklamotten transportiert hatte, und hängte die eigenen Fundstücke auf die Bügel.
Kathrin verfuhr so ähnlich. Die Orchideen prangten bereits auf allen Fensterbänken, die Katzen im Bücherregal.
Als wir uns einigermaßen wohnlich eingerichtet hatten, lief ich zum Bäcker um die Ecke, um etwas Eßbares zu kaufen.
Zufrieden machten wir es uns in der Küche bequem, aßen gebutterte Laugenbrezeln und tranken Kaffee. »Hinterher ist man klüger«, sagte Kathrin und leckte sich die Sahne vom Schnurrbart. »Ich hatte bei meiner Flucht bloß Winterkleider mitgenommen, für den Sommer mußte ich mir in Darmstadt ein paar billige Fetzen kaufen. Dabei sind in der Wohnung meines Mannes noch richtig gute Sachen! Übrigens nicht bloß Kleider, auch Bücher, CDs, vor allem auch Bilder, die diese Bude hier gewaltig aufwerten würden. Ich habe große Lust, mich in die Neuhausstraße zu wagen und sozusagen bei mir selbst einzubrechen.«
»Wenn du einen Schlüssel hast, sollte das kein Problem sein«, meinte ich.
Es klappte alles vorzüglich. Nach einem vorsorglichen Kontrollanruf parkte Kathrin um zehn Uhr morgens den Wagen in der Nähe ihrer früheren Wohnung. Zur Sicherheit schlich ich vorerst allein in den Treppenflur. Das Haus machte einen ausgestorbenen Eindruck, schließlich war Urlaubszeit.
Als ich aufgeschlossen hatte, winkte ich Kathrin herbei, und wir betraten mit einem etwas mulmigen Gefühl eine große, helle Diele.
Sie begab sich als erstes ins Schlafzimmer und öffnete die Schiebetüren eines riesigen Einbauschranks. Linker Hand war die Damenabteilung, rechts hingen fünf Herrenanzüge aus feinem grauen Tuch. Auf sieben Kleiderbügeln waren die
Wochentage vermerkt, der heutige war vakant. »Er wollte durch stets gleiche Kleidung zwar einen seriösen, aber keinen reichen Eindruck machen«, erklärte Kathrin, »damit seine kriminellen Kunden unter keinen Umständen auf die Idee kämen, bei uns einzusteigen.« Zügig pflückte sie Kleider von der Stange und warf sie aufs Bett, holte einen Koffer aus der Abstellkammer und bat mich, alles einzupacken.
Teilweise waren teure Stücke darunter, die mir auch stehen würden.
Als ich allein im Schlafzimmer war, bohrte ich aus Übermut mit einer Nagelfeile ein paar Löcher in Nummer sieben, den nachtblauen Sonntagsanzug.
Kathrin stopfte ihre Schmuckkassette, Fotoalben und Parfümflaschen in eine Reisetasche. Vor einer Stereoanlage blieb sie unschlüssig stehen. »Nicht ganz leicht zu tragen, vielleicht lasse ich sie vorläufig hier, wichtiger sind die Gemälde.« Zu meiner Verwunderung hängte sie vier Ölgemälde, die ich bestimmt nie beachtet hätte, von der Wand und wickelte sie in Frotteehandtücher. Nach dieser Tat geriet sie in leichte Panik und wollte rasch wieder weg, obwohl die gesamte Aktion keine halbe Stunde gedauert hatte.
»Komm jetzt! Ich nehme den Koffer und die Tasche«, rief sie und schichtete mir die Bilder vorsichtig auf den Arm.
»Wir sollten uns hier nicht erwischen lassen!«
Als wir schon fast zu Hause waren, meinte Kathrin: »Es ist zu blöde, daß ich ein solcher Angsthase bin. Wenn er aus seiner Kanzlei nach Hause kommt, wird er natürlich
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