Selige Witwen
herumtollen und im Heuschober Purzelbäume schlagen!« rief ich böse.
»Unsinn«, sagte Jonas, »er kann nicht schreiben. Bloß das große B... Wann kommst du denn, um ihn abzuholen?«
»Weiß noch nicht«, sagte ich aggressiv, »stört er euch?«
Im Gegenteil, die ganze Familie sei begeistert, vor allem seine Mutter, obwohl sie doch schon viele Enkelkinder habe. Aber so hübsch und munter wie Bela sei keins geraten.
Er könne bleiben, so lange es mir passe.
Jonas hatte also eine Freundin. Eigentlich hätte ich irgendwann damit rechnen müssen, aber eine Lehrerin paßte mir gar nicht. Am Ende wollte er sie heiraten und sich zuvor von mir scheiden lassen. Das Sorgerecht für Bela, über das wir bisher nie gestritten hatten, mußte dann gerichtlich geregelt werden. Es konnte sein, daß man sein Wohlergehen in einer intakten Bauernfamilie - Stiefmutter pädagogisch ausgebildet, Vater heimatverwurzelt - besser als bei mir gesichert sah. Ohne Mann und festes Einkommen und mit Wohnsitz in Italien machte ich auf einen konservativen Richter bestimmt keinen guten Eindruck.
Außerdem war ich eifersüchtig. Nicht, daß ich ernsthaft vorhatte, jemals wieder mit Jonas zusammenzuleben, aber er sollte mich immer aufs neue umwerben und um Rückkehr bitten. Diese Gerlinde nahm mir Mann und Sohn im Handstreich weg. Kinder ließen sich schnell beeinflussen, wechselten im Nu ihre Bezugspersonen. Wie rasch hatte Bela nach jedem Besuch seinen Vater vergessen. Emilias Konkurrenz hatte ich noch geduldet, schließlich übernahm sie bloß die Großmutterrolle, aber den Tricks einer professionellen Erzieherin war ich nicht gewachsen.
Ehe ich meinen Sohn aber wieder zu mir nahm, wollte ich noch schnell den Umzug nach Frankfurt abwickeln. Ich würde dann einfach im Bett der Ethnologin schlafen, und Kathrin konnte sich wie gewohnt auf ihrem Futon ausstrecken.
Bevor ich für immer aus Darmstadt verschwand, wollte ich noch das geliehene Fahrrad zurückbringen. Als ich beim Kindergarten ankam, war er geschlossen, denn auch für die
Kleinen begannen die Sommerferien. Ich fragte mich, wo die vielen berufstätigen Mütter jetzt ihre Kinder unterbrachten und ob dieses Problem in Italien frauenfreundlicher gelöst war. Frustriert stellte ich das Rad wieder in den Keller zurück.
Kathrin hatte noch eine andere Sorge: Man hatte sie seinerzeit mit selbstverständlicher Hilfsbereitschaft in Darmstadt aufgenommen, und es war ihr etwas peinlich, in der Eile keine Nachmieterin gefunden zu haben.
»Weißt du was«, schlug ich vor, »wir sagen einfach nichts und machen uns auf und davon, wenn Andy nicht im Haus ist. Es geht schließlich keinen etwas an, wo du hinziehst.«
»Aber, Maja, das wäre eine Sauerei! Ich bin den Jungs überdies noch Miete schuldig, andererseits aber ziemlich knapp bei Kasse. Könntest du mir etwas leihen?«
An diesem Abend machte ich gerade eine Pizza warm, als sich Andy unerwartet zu mir gesellte. Er war etwas verlegen.
»Bist du mir böse wegen neulich?« fragte er. Ich wußte nicht, wie das gemeint war, denn schließlich hatte er mir Geld geliehen und mich zum Bahnhof gefahren. »Ich hatte wahrscheinlich ein Glas zuviel getrunken«, murmelte er, »sonst hätte ich mich gar nicht getraut, dich in der Koje aufzustören.«
»Okay«, sagte ich, »trink heute zwei Gläser mehr, vielleicht klappt es dann!«
Er holte sofort eine Flasche Rotwein. Als ich aber später zufrieden hinter seinem schmalen Rücken einschlafen wollte, war Andy redselig geworden und ließ sich von mir als Zeichen seines Vertrauens das lange Haar kämmen und zu dünnen Zöpfchen flechten. Anscheinend tat ihm diese mütterliche Geste so gut, daß er vor Glück weinerlich wurde und eine traurige Bilanz seines Lebens zog. »Bald bin ich dreißig, aber durch das viele Taxifahren komme ich nicht richtig in die Gänge. Ich mußte schon längst Examen gemacht haben.«
Ich gähnte; dieser grüne Junge war wohl schwerlich der Richtige, um mich zur reichen Witwe zu machen.
Ohne ihm ein Wort von meinen Plänen zu verraten und ohne besonders schlechtes Gewissen, wollte ich mich anderntags mit Kathrin aus dem Staub machen. Aber als wir im Auto saßen, sagte sie etwas zögernd: »Felix hat heute nacht auf den Anrufbeantworter gesprochen, er ist unterwegs nach Darmstadt. Ob mit oder ohne Cora hat er nicht gesagt. Was gedenkst du nun zu tun? Willst du unter diesen Umständen überhaupt mitfahren?«
Ich überlegte. Natürlich konnte ich beim Umzug helfen und
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