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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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ihn eigentlich geheiratet«, fragte ich neugierig, »wenn du solch panische Angst vor ihm hast? Bei mir war Bela der Grund...«
    »Ich war auch mal schwanger«, sagte Kathrin, »aber er wollte kein Kind. Meine Ehe war ein Griff ins Klo; man sollte nicht zum Standesamt laufen, nur um sich umbenennen zu können.«
    »Um Gottes willen, wie heißt denn deine Familie?«
    »Busoni. In Italien denkt man bei diesem Namen voll Stolz an einen großen Komponisten, aber hier lachten sie mich alle aus. Mit zwanzig liebte ich einen sehr netten Mann, zu blöd, daß ich ihn abgewiesen habe. Er wollte mich unbedingt heiraten, aber er hieß Ralph Leckermann.
    Um es kurz zu machen, aus Caterina-Barbara Busoni, zu deutsch Busenbarbi, wurde Kathrin Schneider.«
    Ich nickte verständnisvoll. Es gefiel mir, wie sie sich von ihren Vorfahren abkoppelte und mit ihrer deutsch-italienischen Herkunft spielte. Vielleicht taten sich da noch ganz andere Abgründe auf.
    Als ich wieder in meinem schmutzigen Zimmer saß, mußte ich immer wieder an Kathrin denken. Im Märchen wurde Allerleirauh vom eigenen Vater bedrängt, sie hingegen schien ihrem Mann gegenüber einen regelrechten Verfolgungswahn zu haben. Dabei kam mir ein Detail ihrer Geschichte nicht ganz plausibel vor: Wenn ihr Mann in Frankfurt lebte, konnte er sie doch jederzeit vor der Volkshochschule abpassen und zur Rede stellen.
    Anderntags besuchte ich Coras Großmutter. »Guten Morgen, Frau Schwab!« rief ich und zog wie Rotkäppchen eine Flasche Wein aus meinem Einkaufskorb. »Ich komme eigentlich nur, um mich zu verabschieden.«
    »Wie nett von Ihnen, daß Sie sich mal wieder blicken lassen, Maja«, meinte die Alte, wobei ich nicht wußte, ob sie es ironisch meinte. »Ich schließe daraus, daß Felix wieder im Lande ist und Cora Sie abholen möchte«, fuhr sie fort und sah mich fragend an. Anscheinend wunderte sie sich, daß ihre Enkel nicht selbst erschienen waren. Am Verbleib von Bela war sie weniger interessiert.
    »Ich muß zurück«, sagte ich. »Mein Urlaub nähert sich dem Ende. Seit einigen Jahren arbeite ich als Fremdenführerin; wenn ich nicht pünktlich wieder antrete, ist die Stelle futsch! Außerdem muß ich auf der Heimreise meinen Sohn abholen, denn Bela ist ein paar Tage zu Besuch bei seinem Vater im Schwarzwald. Leider weiß ich nicht, wie lange Cora und Felix noch in Italien bleiben werden!«
    Charlotte Schwab schien das nicht zu gefallen. »Felix wollte doch nur ein paar Tage... Was hat er denn gesagt?«
    Ich log, und zwar zum ersten Mal im Leben nicht zu Coras Gunsten. »Cora und Felix haben mir gestanden, daß sie restlos glücklich miteinander sind. Also wird es wohl noch eine Weile dauern... «
    Mich traf der Blitz aus Augen, die zwar vom grauen Star, aber nicht von seniler Demenz getrübt waren. »Nicht zu fassen! Vetter und Kusine!« Aber sofort nahm sie wieder Haltung an und trat, so gut es ging, für die Ehre ihrer Familie ein. »Wahrscheinlich haben Sie das mißverstanden, Maja«, sagte sie, »Felix hat sich schon immer für die italienische Renaissance interessiert.«
    Ich ärgerte mich so über ihre hochnäsige Lüge, daß ich beim Abschied eine kleine Granatbrosche in meine Hosentasche wandern ließ.
    War ich eine Rabenmutter? Schon mehrere Tage verbrachte Bela bei seinem Vater im Schwarzwald, und ich hatte noch nie angerufen. Ein Grund dafür war natürlich, daß ich es haßte, wenn Jonas' Mutter am Apparat war und mit beleidigt vorwurfsvoller Stimme Konversation machen wollte.
    Sie sah es nicht ein, sie billigte es auf keinen Fall, daß ich nicht auf dem Bauernhof wohnte, die Hühner fütterte, ihrem Sohn eine treue Frau war und gelegentlich für alle kochte. Daß ich als Nichtkatholikin und hochschwanger vor den Altar geführt wurde, hatte sie mir nicht übelgenommen, aber ohne tatkräftige Mitarbeit war ich für eine ländliche Familie eine Katastrophe.
    Schließlich überwand ich mich, und Jonas war am Apparat.
    Bela wolle mir selbst erzählen, wie gut es ihm gehe.
    Mein Sohn plapperte sofort los: »Maja, i kann Computer und i kann schreibe!« behauptete er.
    »Malen«, verbesserte ich.
    »Nein, nein! Die Gerlinde zeigt es mir.«
    Wer war Gerlinde? Ich fragte Jonas.
    »Eine Bekannte«, sagte er.
    »Freundin?« wollte ich wissen.
    »Vielleicht«, antwortete er zögernd, und ich schwieg verwirrt.
    Wieso lernte Bela bei ihr schreiben?
    »Sie ist Lehrerin an unserer Grundschule. Jetzt in den Ferien... «
    »...übt sie an Bela! Und ich dachte, er darf

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