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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Schatten her: »Du hast mich reingelegt!« Aber auch ich bekam mein Fett ab. »Mensch, Maja! Von dir hätte ich mehr Grips erwartet! Warum rührst du dich erst, wenn es zu spät ist?«
    Zwar hatten wir nun den benötigten Stoff, wenn auch teuer erworben, aber bis zu Hüters Haus war es nach wie vor zu weit, um ohne Fahrzeug hinzukommen. Insgeheim hoffte ich, daß Cora langsam müde werden und ihren Plan auf morgen verschieben müsse.
    Doch sie verhielt sich fatalerweise so, als hätte ihr der Unbekannte noch ein paar Amphetaminbonbons in den Rachen geschoben. »Am besten reißt du dir zwei Fahrräder unter den Nagel«, schlug sie vor. »Wir können schließlich schlecht mit dem Taxi am Tatort vorfahren.«
    »Das kann stundenlang dauern. Mitten in der City ist es fast unmöglich, Räder zu finden, die nicht gesichert sind«, wandte ich ein. »Aber gesetzt den Fall, es gelingt. Was dann?«
    »Die Dietriche habe ich hier«, sagte Cora und ließ sie in der Tasche klirren. »Wir machen es wie beim letzten Mal und dringen durch die Garage ins Haus ein. Dann werden wir in die Küche schleichen und ihm das Frühstück versalzen.
    Zum Beispiel in die Kaffeemaschine...«
    Sie war einfach nicht kleinzukriegen. »Cora!« beschwor ich meine Freundin, »du weißt doch selbst, daß Methadon nur schadet, wenn man im Anschluß an den Konsum körperliche Anstrengungen unternimmt.«
    Sie freue sich schon darauf, Sven in den Schweinsgalopp zu treiben, meinte Cora vergnügt. Schließlich werde er alles tun, um Pu wieder einzufangen.
    »Erpressung ist eine Sprache, die er versteht. Per Handy kriegt er die Kommandos. Wir lassen ihn anfangs mit dem Auto ein wenig durch Frankfurt kreuzen und irgendwo in der Pampa anhalten. Wenn er ausgestiegen ist, zeigen wir ihm Pu aus weiter Ferne. Bei der Übergabe laufen wir flink davon, und er muß hinterherwetzen.«
    »Cora, du spinnst nicht nur, du bist ein absolut verrücktes Huhn! Wir haben beide überhaupt keine Kondition! Außerdem wird der Mistkerl nicht sprinten, sondern ballern!«
    Cora aber war von der eigenen Idee begeistert. »Von einer Schwarzseherin lasse ich mir nicht in die Suppe spucken.
    Ich fahre jetzt auf der Stelle hin, du wirst ja sehen, daß ich auch ohne dich und trotz Promille klarkomme!«
    Wie zu erwarten war, machte sie mich mit diesen Worten gefügig. Ich konnte lediglich durchsetzen, daß wir an der Hauptwache die S-Bahn bestiegen, um uns am Bahnhof einen starken Kaffee einzuverleiben. Wachmänner und Bahnhofspolizisten mit Schäferhunden demonstrierten dort ihre Präsenz. In einem Punkt hatte ich recht behalten: An diesem Ort mußte man sich bestens auskennen, um ungestört Drogengeschäfte zu machen.
    Als wir die Hotelgarage erreicht hatten, war meine Müdigkeit hellwacher Überdrehtheit gewichen. Cora hatte mich angesteckt. Ob es nackte Angst war, die in meinem Bauch pulsierte, oder ein prickelndes Gefühl der Abenteuerlust vermochte ich nicht mehr zu unterscheiden.
    »Natürlich können wir nicht direkt vor Hilters Haus parken«, sagte Cora, »mein Wagen fällt zu sehr auf. Das wolltest du mir doch sicher schon die ganze Zeit ins Ohr flüstern. Weißt du noch, wo man abbiegen muß?«
    Wir fuhren Richtung Norden und orientierten uns am Ginnheimer Fernsehturm. In einer nächtlich-stillen Seitenstraße stellten wir den Wagen ab und stiegen aus.
    Cora trug das kostbare Fläschchen und die Dietriche, ich hatte mich mit der bewährten Taschenlampe und dem Kreuzschlüssel bewaffnet. Als wir uns bereits einige Schritte entfernt hatten, kehrte Cora wieder um und öffnete den Kofferraum. »An alles muß man selber denken!« sagte sie vorwurfsvoll. »Da mußten noch irgendwo ein Paar olle Handschuhe liegen.«
    Sicherheitshalber blieben wir eine Weile im benachbarten Vorgarten stehen, um Svens dunkles Haus auf uns wirken zu lassen.
    »Ob er wirklich hier ist, stellt sich erst heraus, wenn wir seinen Wagen in der Garage vorfinden«, flüsterte Cora, »obwohl es natürlich auch kein hundertprozentiger Beweis ist.«
    »Warte noch ein paar Minuten«, bat ich.
    Nach fünf Minuten, in denen ich nichts anderes als mein pochendes Herz hörte, huschten wir wie die Fledermäuse vor das Garagentor und machten uns daran zu schaffen. Unser redliches Bemühen wurde durch das ständige Tauschen der Handschuhe erschwert; abwechselnd richteten wir den Lichtstrahl auf das Schlüsselloch, weil jeweils die andere meinte, sie könne es besser.
    »Es ging doch damals ziemlich easy«, fluchte ich, »warum

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