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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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klappt es diesmal nicht? Ich fürchte, unser Geklimper weckt die halbe Nachbarschaft auf!«
    Mit einemmal gab das Schloß zwar knirschend nach, aber die Flügeltüren ließen sich dennoch nicht öffnen. Offensichtlich war von innen ein zusätzlicher Riegel vorgeschoben worden.
    Nun standen wir wie der Ochs vorm Tor und konnten froh sein, daß niemand unsere dämlichen Mienen sah.
    »Wir versuchen es mal an der Rückseite des Hauses«, schlug Cora vor, »vielleicht entdecken wir ja ein offenes Fenster.«
    Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war, daß Hilter die Türen verriegelte, aber die Fenster geöffnet ließ, schlichen wir die steinerne Außentreppe hinauf und betraten einen stockfinsteren Garten. Wieder blieben wir stehen, um wie jagende Hyänen Witterung aufzunehmen, bis die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
    Allmählich erahnten wir die Umrisse der Fenster und einer Verandatür. Das Küchenfenster war zwar zum Lüften gekippt, ließ sich aber nicht aushebeln. Unterhalb der Hausfassade wurde der Schacht eines Kellerfensters von einem Gitterrost abgedeckt, den wir mit vereinter Kraft lüften konnten.
    Cora ließ sich hinuntergleiten, ich kauerte vor dem schwarzen Loch und wartete angespannt. »Gib mir mal die Taschenlampe!« befahl sie, und ich hörte, wie sie sich mit wachsender Ungeduld abquälte. »Es ist wie verhext, auch dieses Fenster ist nicht zu knacken«, murrte sie ärgerlich.
    »Also muß ich wohl die Scheibe einschlagen.«
    Cora pflegte ihren Worten auf der Stelle Taten folgen zu lassen. Es schepperte gräßlich, in einem der Nachbarhäuser fing ein Hund an zu jaulen. Wenn Hilter wirklich hier schlief, dann mußte er auf jeden Fall wach werden und nach der Ursache des Lärms fahnden. Wir hielten beide den Atem an.
    Eine Weile rührte sich nichts. Dann ging im ersten Stock das Licht an, eine Tür knarrte und schließlich rauschte die Spülung. Kurz darauf wurde es wieder dunkel und still.
    »Er ist also da, mußte aufs Klo, schläft schon wieder weiter «, kommentierte Cora flüsternd. »Jetzt klettere ich in den Keller, bleib du aber erst mal oben!«
    Ein unterdrückter Aufschrei, ein leises »ach, du Schande « -hatte sich Cora geschnitten? Ich stellte mir bereits inmitten der Scherben eine klebrige Blutlache vor, die unsere Schuhe wie mit Stempelfarbe präparierte.
    Nach einer Schreckminute bekam ich Coras Lagebericht zu hören: »Pu kriegt Arbeit, hab' mir leider die neue Bluse zerrissen, als ich in eine Vorratskammer geplumpst bin. Du wirst es kaum glauben, die Tür zum oberen Stockwerk ist ebenfalls abgeschlossen. Hast du den Fettsack etwa gewarnt?«
    Eine blöde Frage.
    In diesem Augenblick hörte ich in rasanter Folge quietschende Bremsen, dann eine zuschlagende Autotür und gleich danach treppaufwärts stürmende Schritte. So gänzlich unverfroren verhielt sich wohl nur ein Freund des Hauses oder ein blindwütiger Rächer. Falls es aber Sven war, der so spät nach Hause kam, wer war dann im oberen Stockwerk auf der Toilette gewesen?
    Nicht allzu oft in meinem Leben habe ich eine Sternschnuppe gesichtet, doch ausgerechnet in jenem gefährlichen Augenblick und an einem so unheimlichen Ort wurde ich Zeuge dieses Phänomens. Weil ich nicht darauf vorbereitet war, fiel mir nicht gleich ein Wunsch ein. Aber ich war geistesgegenwärtig genug, Belas Namen auszusprechen, gleichsam als Inbegriff aller Hoffnungen auf eine erfüllte Zukunft.
    Doch die Gegenwart verlangte ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Ich versuchte mich ausschließlich auf die Geräusche an der vorderen Hausseite zu konzentrieren. Man hörte, wie der späte Besucher sich mit dem Türschloß abmühte. Ich beugte mich zum Kellerfenster hinunter und wisperte Cora zu: »Komm sofort wieder hoch, ein Kollege macht uns Konkurrenz!«
    Einen Augenblick lang berieten wir noch, ob es nicht sicherer sei, wenn ich zu Cora in den Keller schlüpfte, als wir bereits das brutale Krachen einer Brechstange hörten; der Nachbarhund fing sofort wieder an zu jaulen. Ich reichte Cora die Hand und zog sie empor.
    »Was jetzt?« flüsterte sie, nun doch etwas verunsichert, während ich vor Angst schlotterte.
    »Es hat wohl keinen Sinn, auf die Straße zu flüchten«, sagte ich. »Wahrscheinlich laufen wir dort einem Komplizen in die Arme. Am besten, wir verstecken uns im Garten!«
    Aber bevor wir uns im Dunkeln einen Weg ins Gebüsch ertasten konnten, wurden im ersten Stock die Lichter eingeschaltet, deren heller Schein den ganzen Rasen überflutete.
    An

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