Selige Witwen
schimpfte Cora und wühlte in ihrer großen Basttasche nach einem neutralen Skizzenheft. Mit der linken Hand schrieb sie in Blockbuchstaben: DIE TOTE VOM MAINUFER ARBEITETE IM SCHWITZKISTL UNTER DEM NAMEN MANGO. IHR MÖRDER HEISST SVEN HILTER.
Als Pu uns mit Papier und Stift hantieren sah, arbeitete es offensichtlich in ihr: Sie wollte ihrerseits einen Brief schreiben, um die Frauen im Schwitzkistl zu warnen.
»Aber wird die Post nicht abgefangen und kontrolliert?«
fragte Kathrin besorgt.
»Wir müssen einen unserer Jungs ins Bordell schicken«, sagte Cora begeistert. »Ist das nicht der ideale Job für arme Werkstudenten? Ich rufe gleich mal an.«
Froh darüber, daß sie diesen Auftrag nicht mir erteilte, sah ich Pu fasziniert zu, wie sie in geschwungenen Lettern einen Brief produzierte, kunstvoll zusammenfaltete und ihn an NISACHON adressierte.
Schließlich kam Cora aus dem Nachbarzimmer, warf das Handy aufs Bett und lachte. »Dein tapferer Freund Andy hat behauptet, daß er mit dem Taxi schon so viele widerliche Freier ans Ziel befördern mußte, daß er einen unüberwindbaren Ekel vor allen Freudenhäusern dieser Erde hätte.
Und meinem Vetterchen Felix ist keine bessere Ausrede eingefallen als seine phobische Angst vor Aids. Kurz und gut, nur Max ist ein ganzer Kerl! Er laberte zwar, daß Prostitution die Würde der Frau verletze, aber unser Wunsch sei ihm Befehl. Ich treffe ihn nachher vor der Alten Oper und übergebe ihm Pus Schreiben.«
Als sie mein skeptisches Gesicht sah, redete sie sofort weiter: »Ich hab's ja immer gewußt, Andy und Felix sind Schlappschwänze. Nur weil sie selbst nicht gern etwas riskieren, verurteilen sie unsere besten Ideen. - Maja, kannst du mal in die Rezeption springen und einen unbedruckten Umschlag mit einer Marke besorgen?«
Unser Brief war bereits zugeklebt, als ich ihn wieder zerriß.
Meinen verdutzten Mitstreiterinnen erklärte ich es so: »Wenn Coras Nachricht zur Folge hat, daß die Polizisten Hilter ins Visier nehmen, kommen wir nie mehr an ihn heran! Dann wird er pausenlos vorgeladen, verhört und observiert.
Und sollte er in den Knast wandern, wird er dafür sorgen, daß einer der Luden Pu an die Kandare nimmt. Als Witwe ist sie dagegen frei von allen Verpflichtungen und erbt zudem ein Häuschen. Ich stelle mir vor, daß sie vom Erlös in ihrer Heimat einen kleinen Laden oder ein Restaurant eröffnen kann.«
Als ich fertig gesprochen hatte, herrschte anerkennendes Schweigen. Irgendwie war es mir gelungen, Coras absolute Vorherrschaft zu brechen. Sie schien das durchaus zu spüren, denn sie bemerkte spitz: »Weil unser Winnetou so superschlau ist, wird er bestimmt den Feind mit einem vergifteten Pfeil erlegen oder heute nacht in sein Haus eindringen und ihm nach bewährter Manier den Tomahawk durch den Kürbis ziehen.«
Ich fand ihre Worte überhaupt nicht witzig, doch zum Glück konnte sie nicht so schnell damit ernst machen.
Schließlich hatte sie sich mit Max verabredet, und ich sollte sie bestimmt begleiten. Sie brauchte immer Zeugen ihrer Schlagfertigkeit, Bewunderer ihrer Tatkraft, Spießgesellinnen und Schicksalsgenossinnen.
Meine Ahnung erwies sich als fast richtig. »Kathrin, kommst du mit?« fragte Cora, als sie in den Mantel schlüpfte.
»Ich weiß nicht recht«, kam die zögernde Antwort, »schon das Wort Bordell macht mich krank, es ist der Ort, wohin es meinen eigenen Mann abends zag. Und eigentlich finde ich es auch nicht in Ordnung, wenn ihr anständige Jungs mit solchen Aufträgen versaut... «
»Ein keuscher Chorknabe, der noch keinen Puff von innen gesehen hat, ist Max gewiß nicht«, sagte Cora munter.
»Also kommst du, Maja?«
Ich hatte ein Hotel im Herzen Frankfurts ausgesucht, so daß wir viele Wege, wie auch diesen Spaziergang, zu Fuß machen konnten. Auf dem Opernplatz herrschte reger Betrieb.
Suchend ließ ich meine Blicke schweifen, bis ich plötzlich unsanft am Ärmel gepackt wurde. Max war nicht allein gekommen, sondern hatte Felix und Andy zur Verstärkung mitgebracht. Jetzt ging es also wieder mit Vorwürfen, Beschimpfungen und Moralpredigten los.
Als wir zwecks Lagebesprechung zu fünft im Cafe saßen, erkundigte sich Cora nach dem Befinden ihrer Oma und trug Felix herzliche Grüße auf. Dann fauchte sie Max an: »Das war gegen die Abmachung! Du solltest doch ohne Eskorte kommen!«
Keine Minute lang hätten sie unsere Geschichten geglaubt, behauptete Felix.
Und Andy ergänzte: »Erst haben wir Maja gefesselt und
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