Selina - Liebesnaechte in Florenz
Stärke. Selina dagegen ist eine liebenswerte Frau, aber ihre Sanftmut kann mich nicht reizen.’
Als sie das Haus erreicht hatten, zog sich Francesco in seltsam bedrückter Stimmung zurück und er selbst suchte sein Schlafzimmer auf, öffnete eine Truhe und entnahm ihr ein Bild. Es war etwa tellergroß und zeigte das Antlitz eines blutjungen Mädchens. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Selina Santini war nicht zu leugnen, und doch... Entweder hatte der Maler sein Handwerk nicht verstanden, nur eine Äußerlichkeit eingefangen, die sich mit den Jahren verändert hatte, oder...
Sein Blick blieb an den Augen hängen. Braun waren sie, aber heller als bei dem Vorbild für dieses Porträt. So wie jene der Gesellschafterin, und eben dieser Ausdruck lag darin, den er bei ihrem ersten Zusammentreffen darin entdeckt hatte, und vor allem jetzt, als er sie hoch zu Ross gesehen hatte. Lebensfreude und Mut. Seine Gedanken glitten zurück zu der stolzen Reiterin. Es war im Frankenreich üblich, dass die Damen zur Jagd ausritten und er hatte ihr angesehen, dass sie sich auf dem Rücken eines Pferdes heimisch fühlte. Sie war mit dem Pferd wie verwachsen gewesen, ihre Augen hatten geleuchtet und das ganze Gesicht hatte von innen heraus gestrahlt. Wieviel schöner war sie in diesem Moment gewesen als ihre sonst anmutigere und hübschere Herrin!
Gegen sie war ihm Selina Santini farblos und langweilig erschienen. Nein, eine solche Frau konnte ihn nicht locken. Wenn er sich band, dann an eine Gemahlin, die alle seine Sinne erregte und nicht nur seine Augen. ‚ Schönheit ist vergänglich’ , hatte einer seiner alten Lehrer, ein weißhaariger Padre, immer gesagt. ‚ Was vom Menschen bleibt, wenn er alt und schwach wird, ist jedoch sein Geist.’ Und diese Francesca hatte Geist. Und ein Auge für die Schönheit dieser Welt.
Er erinnerte sich, wie er sie in der Kirche gesehen hatte, andächtig vor den wunderbaren Fresken Ghirlandaios stehend. So sehr in die Gemälde versunken, dass sie nicht bemerkt hatte, wie er hinter sie getreten war.
Er hatte sie danach noch bis zum Haus des Bene Santini geführt und war dann sehr nachdenklich heimgegangen. Er erinnerte sich wieder an dieses erste, noch kaum spürbare Gefühl von Zuneigung, das in ihm hochgestiegen war, als er sie dort in der Kirche gesehen hatte. Und auch heute war er für seine Idee, sie und ihre Herrin zur Kirche auf den Berg zu führen, mehr als belohnt worden. Staunend, bewundernd, fasziniert war sie gewesen... Selbstvergessen war sie am Hügel gestanden und hatte über die Stadt geblickt und er hatte sein vertrautes, altes Florenz plötzlich mit ihren Augen gesehen. Sie war anders als die anderen Frauen seiner Bekanntschaft, von denen so manche sehr reizvoll und belesen war. Und er kannte deren viele - schließlich verkehrte seine Mutter in gebildeten Kreisen und zog viele ähnlich denkende Frauen an, deren Lebensinhalt über Küche und Kleider hinausging.
Es war aber nicht nur ihr wacher Verstand, der ihn anzog, er begehrte sie auch. Sekundenlang schloss er die Augen und stellte sich vor, wie es sein würde, den etwas zu breiten Mund und diese Lippen zu küssen und sie auf den seinen zu fühlen. Über ihren Körper zu streicheln, bis er weich und nachgiebig wurde und ihre vollen Brüste in sich einzusaugen, bis sie sich in seinen Armen wand und keinen anderen Gedanken mehr hatte als ihn. Und dann endlich.... Er lächelte, als er bemerkte, dass alleine schon der Gedanke an sie ihn erregt hatte. Nein, er musste diese Frau haben, auf welche Art auch immer.
Er stellte Selinas Bildnis auf die Truhe und ging ein paar Schritte zurück, um es aus der Entfernung zu betrachten. Plötzlich stutzte er, sah genauer hin, schüttelte den Kopf, nahm das Bild, hielt es ins Licht und runzelte die Stirn.
Das war doch unmöglich! Völlig undenkbar, dass sie das wagen...
Doch, sie würde das tun! Es passte zu ihr. Zu dem widerborstigen Blick, den sie ihm gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft geschenkt hatte, zu dem spöttischen Verziehen ihres reizvollen Mundes.
„Oh ja“, murmelte er zufrieden. „Du glaubst, du kannst mich belügen, meine hübsche Burgunderin, aber du hast dich getäuscht. Und wenn ich bisher nicht sicher war, dass ich dich wollte, jetzt bin ich es. Jetzt erst recht.“
Das Fest
L orenzo di Medici hatte ihnen die Ehre zuteil werden lassen, sie auf eines seiner Feste zu laden, und der alte Santini fühlte sich in seiner Entscheidung, seine Enkelin mit dem adeligen
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