Selina - Liebesnaechte in Florenz
Ihr etwas näher treten. Es wäre mir eine große Freude.“
Selina dankte und ließ sich von ihm von einem Gemälde zum anderen führen, hörte aufmerksam zu, während er seine Bemerkungen zu den einzelnen Szenen abgab, lauschte interessiert als er ihr auf ihre Bitte hin sogar die Technik des Frescos erklärte und war sich doch die ganze Zeit über der Gegenwart Alessandro di Barenzas bewusst, der etwas im Hintergrund stand. Sie war sich klar darüber, dass sie die Gunst des Meisters nicht der Tatsache verdankte, dass sie zu seinen Bewunderinnen zählte, sondern weil stattbekannt war, dass Alessandro di Barenza Selina Santini heiraten wollte, und sie deren Freundin war.
Als sie sich nach einer halben Stunde verabschiedete und dem Ausgang der Kirche zustrebte, schloss sich Alessandro ihr an.
„Ich freue mich über den Zufall, Euch hier in der Kirche zu treffen, Signorina Francesca.“
Selina, die ihm nicht verzeihen konnte, dass er diesen Handel mit ihrem Großvater abgeschlossen hatte, und noch weniger, dass er sie dabei beobachtet hatte, wie sie die Statue betrachtet hatte, nickte nur.
„Geht Ihr öfter in der Stadt spazieren?“ setzte er das einseitige Gespräch fort. „Gewiss“, erwiderte Selina kurz, blieb draußen vor der Kirche stehen und sah sich nach ihrer Begleiterin um, die vor dem Gebäude einige Freundinnen getroffen hatte.
„Gestattet Ihr, dass ich Euch zum Haus des Signor Bene begleite?“ fuhr Alessandro fort, ohne auf Selinas abweisende Haltung zu achten. „Ich hatte vor, ihm einen Besuch abzustatten.“
„Ich kehre noch nicht zurück, sondern gedenke den schönen Tag zu nutzen und noch durch die Stadt zu spazieren.“
„Eine hervorragende Idee“, erwiderte er, sichtlich unempfindlich für ihre Unfreundlichkeit. „Dann darf ich Euch vielleicht dabei begleiten? Es ist nicht gut, wenn eine Dame alleine durch die Stadt spaziert. Es gibt viel Gesindel in Florenz.“
„Ich bin nicht alleine“, antwortete Selina und wies auf das Mädchen, das in einiger Entfernung mit einer zweiten stand und neugierig herübergaffte. „Außerdem möchte ich Euch nicht aufhalten. Eure Zeit ist gewiss sehr kostbar, Ihr werdet sie nicht mit mir vertun wollen.“
„Eben weil meine Zeit kostbar ist, möchte ich sie mit Euch verbringen“, erwiderte Alessandro lächelnd.
Selina hob schnell den Kopf, um ihm eine entsprechende Antwort auf etwas zu geben, das sie als reine Ironie auffassen musste, und blickte direkt in seine Augen. Die Antwort entfiel ihr und sie starrte ihn stumm an. Es lag nicht der Spott darin, den sie vermutet hatte, sondern offensichtliches Wohlgefallen.
„Wohin darf ich Euch also begleiten?“ fragte er, da Selina schwieg.
„Ich wollte zum Duomo“, brachte sie endlich hervor, sich mühsam aus dem Bann lösend, der sie umfangen hatte. Der Traum fiel ihr wieder ein und die Glut und Leidenschaft mit der er sie geküsst und geliebt hatte. Und die Erregung, die sie selbst dabei erfühlt hatte. Der Wunsch, ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden, stieg fast übermächtig in ihr hoch, und sie trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Eine der schönsten Kirchen der Toskana“, nickte Alessandro, der zum Glück nichts von ihren Gedanken wusste. „Der Dom in Siena ist ebenfalls sehr schön, aber die Kuppel dieser Kirche ist einmalig.“
Sie gingen nebeneinander her, das Mädchen lief hinterdrein, und Selina fasste sich bald bei Alessandros leichtem Geplauder. Als sie den Dom erreicht hatten, führte er sie zuerst zum Battisterio, der mit weißem und grünem Marmor verkleideten Taufkirche, die Johannes dem Täufer geweiht war, und zeigte ihr die vergoldeten Bronzetafeln an den Portalen. Selina ging andächtig mit ihm gemeinsam um das Gebäude, strich mit der Hand über die marmornen Steine und war sich der Blicke und der Stimme ihres Begleiters weit mehr bewusst, als der vielen anderen Menschen um sie herum.
Sie war schon mehrmals hier gewesen, hatte sowohl die Tafeln gesehen als auch den Dom bewundert, aber diesmal war es anders. Sonst war sie entweder nur mit einer Magd hier gewesen oder mit Francoise, die sich redlich bemüht hatte, ihrer Freundin zuliebe ihre Langweile zu unterdrücken. Heute jedoch hatte sie einen Begleiter, der zu jedem der Häuser, an denen sie vorbeikamen, eine Geschichte wusste, sie auf Besonderheiten der Gebäude und ihrer Bewohner aufmerksam machte und sie dann in den Dom hineinführte, wo sie unter der mächtigen Kuppel stehen blieben und sie
Weitere Kostenlose Bücher