Selina - Liebesnaechte in Florenz
all dem Treiben, das um sie herum herrschte. Es gab da auch Schaugerüste mit beweglichen hölzernen Figuren, die Szenen aus Legenden oder der Bibel bildeten, Männer, die in phantastischen Masken auf Stelzen gingen und wie Riesen wirkten, und gegen Abend sollte dann sogar ein Feuerwerk abgehalten werden, die sogenannte girandola .
Der Höhepunkt war jedoch das Pferderennen, bei dem es jedem, der ein gutes Pferd besaß, freistand, den ersehnten Preis zu gewinnen, das Palio. Dieses bestand aus einem Stück kostbaren Gewebes, aus Samt oder Seide, auch aus Gold- und Silberbrokat im Wert von bis zu sechshundert Goldflorin, was etwa dem Verdienst des Kanzlers der Signoria entsprach, wofür einer der armseligen Wollarbeiter von Selinas Großvaters jedoch gut zehn Jahre arbeiten musste.
Selina, die neben der Bewunderung für all die Sehenswürdigkeiten noch Zeit fand, nach ihrem Liebsten Ausschau zu halten, entdeckte Alessandro in der Loggia della Signoria, der Arkadenhalle, die der florentinischen Regierung für die offiziellen Zeremonien diente. Er stand dort neben Lorenzo di Medici und dessen Mutter und unterhielt sich angeregt mit ihnen, warf jedoch, wie Selina bemerkte, immer wieder suchende Blicke in die Runde. In der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit anzuziehen, drängte sie sich durch die Leute und als er eben wieder in ihre Richtung sah, hob sie die Hand, in der sie ein zartes Seidentüchlein hielt, und winkte. Alessandros Blick veränderte sich, kaum dass er sie erkannte und ein warmes Lächeln legte sich auf seine Züge. Er verneigte sich vor dem Magnifico und seiner Mutter und sprang dann die wenigen Stufen hinunter, um sich an einigen reichen Kaufleuten vorbei zu Selina durchzukämpfen. Selina strahlte ihm entgegen, er hatte sie jedoch noch nicht erreicht, als sie plötzlich angesprochen wurde. Sie wandte den Kopf und erblickte Riccardo, den Vetter ihrer jungen Tante.
„Welch eine Freude Euch hier zu sehen, Selina“, sagte er mit einem breiten Lächeln. „Ich hatte Euch schon überall gesucht. Ich werde nämlich heute beim Pferderennen mitmachen. Und da es so üblich ist, zu Ehren einer Dame mitzureiten, hoffe ich, dass Ihr es mir gestattet, heute meine Signorina zu sein.“
Selina, die ihn im Grunde recht gut leiden konnte und sich der Verehrung, die er ihr entgegenbrachte, nur zu bewusst war, bemühte sich stets, freundlich zu ihm zu sein. In diesem Moment jedoch wünschte sie ihn ans andere Ende der Stadt. Ein rascher Blick auf Alessandro, der soeben zu ihnen hintrat, zeigte ihr, dass er ebenfalls wenig erfreut war, sie in Gesellschaft vorzufinden. Sein Gesicht hatte sich merklich verdüstert und zwischen seinen Augenbrauen stand eine kleine Falte.
„Ich wusste nicht, dass Ihr ein so gutes Pferd besitzt“, sagte er zu Riccardo, nachdem die beiden Männer eine mehr knappe als höfliche Verbeugung ausgetauscht hatten.
„Gewiss kann nicht jeder einen so berühmten Stall halten wie die di Barenza“, erwiderte Riccardo mit unverkennbarer Ironie in der Stimme, da bekannt war, dass sich der Reitstall der Familie bedingt durch ihre Armut auf einige wenige Tiere beschränkte. „Aber“, sprach er weiter, „auch meine Pferde sind nicht zu verachten, und ich bin guter Dinge, nach dem Rennen in der Lage zu sein, meiner Dame nicht nur das Palio zum Geschenk machen zu können, sondern auch den Blütenkranz, den die Mutter des Magnifico dem Sieger als Preis übergibt.“
„Nun“, erwiderte Alessandro leichthin, obwohl Selina bemerkte, dass die Falte zwischen seinen Augenbrauen sich vertieft hatte, „dann wünsche ich Euch viel Glück bei dem Rennen und möge der beste Reiter und das beste Pferd gewinnen.“
„So nehmt Ihr wohl nicht teil?“ In Riccardos Augen funkelt der Spott. „Das erstaunt mich nicht, da man Euch bei derartigen Wettbewerben niemals sieht. Auch nicht bei den ritterlichen Turnieren, die so häufig abgehalten werden.“
„Das ist leicht erklärbar“, erwiderte Alessandro gelassen, „ich habe keine Lust, meine heilen Gliedmaßen zum Spektakel der Zuschauer in Gefahr zu bringen.“ „Man könnte dies als einen Mangel an Mut auffassen“, sagte Riccardo bissig. „Fasst es auf, wie Ihr es wollt. Es gibt keinen Anlass für mich, Euch meinen Mut bei einem Spiel zu beweisen“, antwortete Alessandro kalt.
„Nun, so werde ich wohl auch heute nicht die Ehre haben, Euch beim Rennen zu schlagen!“ rief Riccardo lachend aus.
„Ich hatte es nicht vor, aber da Ihr aber so großen Gefallen
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