Selina - Liebesnaechte in Florenz
Unwürdige hatte die unfassbare Dummheit, ein Göttin der Liebe wie dich zu betrügen?“
Sie lachte, glücklich und amüsiert zugleich, weil er sie in der Liebe mit einer Göttin gleichsetzte. „Ich glaube nicht, dass er mich als Göttin betrachtet hat, wohl eher als eine Abwechslung zwischen anderen Frauen. Oder als ein Ort, an den er immer wieder zurückkehren konnte.“
„Er muss Abschaum gewesen sein“, erwiderte Alessandro verächtlich. „Unwerter Auswurf, der ein Juwel nicht von einem gewöhnlichen Stein unterscheiden konnte. An seiner Stelle hätte ich niemals mehr eine andere Frau auch nur mit mehr als höflicher Freundlichkeit angesehen.“ Er strich mit dem Finger über ihre Wange, „Du bist die wunderbarste Geliebte, die sich ein Mann wünschen kann, Selene. Du musst geboren worden sein, als Venus über den Himmel herrschte.“
„Er kannte mich nicht so wie du“, antwortete sie leise. „Wie ich dich geliebt habe und von dir in den vergangenen Stunden geliebt wurde, war ich niemals mit ihm zusammen. Er...“, sie zauderte etwas, unsicher, ob sie ihm nicht endlich die Wahrheit sagen sollte, dann jedoch entschied sie sich, ihre Rolle beizubehalten, „er war der Mann meiner verstorbenen Herrin. Und... es ergab sich eben so.“
Alessandros Miene hatte sich immer mehr verdüstert. Er betrachtete sie sehr ernst, dann nickte er langsam. „Ich verstehe. Ich verstehe, dass es wohl Schicksal war, dass er dich vor mir gekannt hat und ich beneide ihn glühend um das Glück, dich als erster berührt zu haben, und ich würde ihn am liebsten dafür töten, wenn das nicht schon ein anderer vor mir getan hätte.“ Sein Blick glitt über ihr Gesicht, während er mit seiner Hand zärtlich über ihren Körper streichelte und sie dann bedeutsam zwischen ihren Schenkeln ruhen ließ. „Hättest du ihm jedoch alles gegeben, was du mit mir geteilt hast, meine Mondgöttin, so hätte ich dir dennoch niemals auch nur den leisesten Vorwurf deshalb gemacht. Aber“, er blinzelte mit einem leisen Lächeln, „ganz gewiss wäre ich zum Papst gepilgert und hätte ihn gebeten, seinen Einfluss bei den himmlischen Mächten geltend zu machen, damit dieser Mann in die tiefste Hölle verbannt wird, wo er dann eine Ewigkeit Zeit hat, sich über seine Anmaßung zu grämen.“
Selina zog mit einem leisen Lachen seinen Kopf näher zu sich heran, „Nun, wenn das so ist, dann werde ich dir wohl auch keinen Vorwurf wegen einer Narbe machen, die du von einer eifersüchtigen Geliebten erhieltst. Auch wenn ich vor Eifersucht beinahe vergehe bei dem Gedanken, dass es noch andere Frauen gibt, mit den du Psalmen rezitiert hast und die wissen, dass man sich dem Himmel nahe fühlt, wenn du den Teufel in die Hölle schickst.“
***
Seit ihrer Ankunft in Florenz vor etwa zwei Monaten war Selina die Zeit vergangen wie ein Traum und schon näherte sich das größte Fest, das man in Florenz feierte, nämlich den 24. Juni zu Ehren des Schutzheiligen von Florenz, Johannes dem Täufer. Fiorina sprach schon Tage davor von nichts anderem und ließ sich extra dafür eine neue Robe anfertigen, eine kostbare mit Goldfäden bestickte sogenannte giornea . Dies war ein wahrhaft luxuriöses Kleidungsstück, mit langen und weiten Ärmeln, unter denen man die Ärmel des Unterkleides hervorblitzen sah, und das ohne Gürtel getragen wurde. Francoise ließ sich ein ähnliches Kleidungsstück anfertigen und Selina, die sonst darauf achtete, möglichst unauffällig zu erscheinen, konnte der Versuchung nicht widerstehen und machte es ihr nach. Sie war tatsächlich keine besonders eitle Frau, aber die Hoffnung, auf ihren geliebten Alessandro Eindruck zu machen, bewog sie, mit ebensolcher Pracht zu erscheinen wie ihre beiden Freundinnen.
Schon Tage vorher strömten die Menschen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt, Abgesandte der von Florenz abhängigen Städte kamen angereist, um auf der Piazza della Signoria, wo sich der eindrucksvolle Regierungspalast befand, die Kerzenspenden zu überbringen. Diese ‚c eri ’, wie Fiorina sie nannte, waren manchmal von Karren getragen, manche von Trägern und waren aus Holz, Papier und Wachs gemacht, mit Gold und Farben überzogen. Aber nicht genug damit waren sie auch noch mit erhabenen Figuren geschmückt, mit tanzenden Mädchen, Tieren, Pferden und Bäumen und innen hohl, sodass ein Mann darin stehen und sie drehen konnte. Selina und Francoise hatten dergleichen noch nie erblickt und konnten sich kaum satt sehen an
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