Selina - Liebesnaechte in Florenz
daran zu finden scheint, mich weit hinter Euch zu lassen, werde ich Euch gewiss nicht dieser Freude berauben“, erwiderte Alessandro mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen. Er wandte sich um und winkte seinem Diener Luciano, der wie immer in seiner Nähe wartete. „Sorge dafür, dass el-Banat zeitgerecht zum Rennen hierher gebracht wird.“ Der Mann verneigte sich, ein seltsames Lächeln in den Augen, und verschwand in der Menge.
„El-Banat?“ fragte Selina neugierig.
Alessandros Blick wurde sanft, als er sie ansah, „Ein Hengst, den ich von einer Reise zur Barbarenküste mitgebracht habe. Sie haben dort die schönsten und besten Pferde, die ich jemals gesehen habe. Wendig und ausdauernd, wenn auch nicht so kräftig wie die bei uns gezüchteten Tiere und daher nicht zum gewappneten Kriegsdienst geeignet.“
„Von der Barbarenküste?“ lachte Riccardo, der es nicht verwinden konnte, bei Selina ausgestochen zu werden. „Hat man je gehört, dass von dort jemand wieder zurückgekehrt ist?“
„Ich hatte das Glück, einem der tiefer im Land lebenden Scheichs einen Dienst zu erweisen“, erwiderte Alessandro gelassen. Der anfängliche Zorn war aus seinem Gesicht verschwunden und es trug nun eine freundliche Gleichmut. „Zum Dank dafür erhielt ich dieses Pferd geschenkt.“
„Ich hoffe nur, Ihr nehmt es mir nicht übel, wenn Ihr den Staub meines Pferdes zu schlucken bekommt...“ Riccardo konnte nicht weitersprechen, da Bene Santini, der keine Gelegenheit ausließ, Alessandro seines Wohlwollens zu versichern, sich mit seiner Familie herandrängte und den ersehnten Schwiegerenkel mit Bemerkungen über das Fest in Beschlag nahm.
Die nächsten beiden Stunden verbrachte Selina zu ihrer Freude in Alessandros Gesellschaft, auch wenn sich dieser ihr nicht so voll widmen konnte, wie er das sichtlich gerne getan hätte, und nahm dann mit den anderen auf einer der Tribünen Platz, die man beim Ziel aufgebaut hatte. Riccardo war schon längst zu seinem Pferd gegangen und Selina wartete mit Spannung auf das Rennen und vor allem auf das geheimnisvolle Pferd Alessandros. Bei ihrem gemeinsamen Ausritt nach San Miniato war er auf einem kräftigen Tier gesessen, das eindeutig aus heimischer Zucht stammte, und sie brannte vor Neugier, die ganze Geschichte zu erfahren, und zu hören, welchen außergewöhnlichen Dienst Alessandro diesem Orientalen hatte erweisen können.
Sie konnte den Startpunkt nicht sehen, hörte jedoch am Jubel und Geschrei der Menge, dass das Zeichen zum Beginn des Rennens gegeben worden war. Und kurz darauf sah sie auch schon Pferde und Reiter in wilder Jagd daherkommen. Ganz vorne, weit an der Spitze, waren nur zwei Pferde, eines davon ein verhältnismäßig kleines, nachtschwarzes Tier, dessen Hufe jedoch kaum den Boden zu berühren schienen. Alessandro saß ruhig im Sattel, tief über den Hals des Pferdes gebeugt. Dahinter kam Riccardo mit seinem weißen Hengst, er trieb sein Pferd an und gewann an Boden, konnte jedoch Alessandro nicht überholen. Selina presste die Hände aufeinander und verfolgte gespannt die beiden Tiere mit den Augen. Nur noch wenige Minuten und Alessandro würde als erster ins Ziel gehen und gewinnen!
Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch von einem Aufschrei abgelenkt. Ein kleiner Junge hatte sich von seiner Mutter losgerissen und lief lachend und winkend auf die Rennstrecke, direkt vor die Hufe der anderen Pferde. Nur wenige Augenblicke und er würde von ihnen zu Boden getrampelt werden. Selina schlug die Hand vor den Mund, wollte die Augen schließen, um nicht das Unvermeidliche mitansehen zu müssen. Francoise, die neben ihr stand, griff mit einem kleinen, fast schmerzlichen Laut entsetzt nach ihrem Arm.
Aber da hatte Alessandro auch schon sein Pferd herumgerissen und hielt genau auf den kleinen Jungen zu. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge als er sich mitten im Galopp hinunterbeugte, das Kind mit einer Hand zu sich in den Sattel zog und dann in letzter Sekunde auf die Seite preschte, um den nachfolgenden Pferden aus dem Weg zu kommen.
Keiner achtete mehr auf den Ausgang des Rennens, jeder blickte nur auf Alessandro und das Kind, das dieser, nachdem die anderen Reiter passiert hatten, seiner Mutter brachte, die es weinend in die Arme schloss. Die Leute jubelten und Selina, die für Sekunden geglaubt hatte, ihr Herz müsse stehen bleiben vor Angst um das Kind und um Alessandro, der sich selbst in Gefahr gebracht hatte, jubelte mit. Ihr Liebster selbst zeigte sich jedoch
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