Selina - Liebesnaechte in Florenz
sofort auf ihr Zimmer zurückgezogen hätte und für niemandem zu sprechen sei. Nachdem er vergeblich versucht hatte, sie doch noch zu sehen, was höflich, aber strikt abgelehnt wurde, ging er missgelaunt heim und beschloss, am nächsten Tag so früh wie möglich nochmals anzufragen.
‚Wäre sie nun schon meine Gattin ’, dachte er verärgert, ‚ müsste ich mich nicht mit einigen Worten abspeisen lassen, sondern könnte sie sprechen und bei ihr sitzen, bis es ihr wieder besser geht. Es wird tatsächlich höchste Zeit, dass ich diese lächerliche Komödie beende. Allerhöchste Zeit.’
Die Entführung
A ls Selina am nächsten Morgen hinunter in den Saal kam, hörte sie schon auf der Treppe lautes Schreien. Es war die Stimme ihres Großvaters, die sich mit Wehklagen von Seiten Fiorinas mischte. Beim Betreten des Raumes sah sie entsetzt, wie Bene Santini mit einem Stock auf die junge Frau einschlug, die halb vor ihm kniete und die Arme schützend über den Kopf hielt.
Ihr Onkel stand dabei, hatte den Kopf gesenkt und die Hände zu Fäusten geballt. „So hört doch auf damit!“ rief Selina empört. „Wie könnt Ihr sie nur schlagen!“
Sie drängte sich am Onkel vorbei, griff nach dem Stock, den der Alte soeben wieder erhob und riss ihn aus seiner Hand.
„Was fällt Dir ein!“ kreischte Santini, hochrot im Gesicht.
„Ihr erschlagt sie ja!“ erwiderte Selina mit vor Zorn bebender Stimme. Sie warf den Stock wütend in die Ecke und wandte sich zu ihrem Onkel um, der sie fassungslos anstarrte. „Was seid Ihr nur für ein Mann, der zusieht, wie ein anderer Eure Frau misshandelt!“ fuhr sie ihn an. „Schämt Ihr Euch denn gar nicht!?“
„Du verkommenes Stück“, keuchte der Alte, schon fast einem Schlaganfall nahe, „Du hast es gewagt, die Hand gegen mich zu erheben?“
„Ich habe nichts dergleichen getan“, antwortete Selina wütend und hob die leise vor sich hinweinende Fiorina auf. „Aber ich werde nicht zusehen, wie Ihr diese Frau schlagt! Dazu habt Ihr nicht das mindeste Recht!“ Sie führte die junge Frau hinaus, half ihr die Treppe hinauf und brachte sie in ihr eigenes Zimmer, wo sie ungestörter waren als im Schlafzimmer der Gatten, zu dem ihr Onkel und auch die Kinder jederzeit Zutritt hatten.
„Er hat das Recht mich zu züchtigen“, sagte Fiorina leise, während Selina ihr das verweinte Gesicht wusch. Sie hatte ihr geholfen das Kleid auszuziehen und ein leichtes Hemd anzulegen, und dabei voll stummen Zorns die Spuren bemerkt, die der Stock des Alten auf dem schlanken Körper der jungen Frau hinterlassen hatte. „Er ist der Herr im Haus, jeder in der Familie muss ihm gehorchen.“
„Es ist auch dort, wo ich herkomme, so üblich, dass ein Mann seine Frau prügelt, und kein Richter und kein König oder Herzog wird dagegen Einspruch erheben“, erwiderte Selina bitter. „Aber was ist das für ein Mann, der zusieht, wie ein anderer seine Frau schlägt!“
„Er ist seinem Vater ebenso Gehorsam und Respekt schuldig. Oh Francesca“, sagte Fiorina und nahm ihre Hand, um sie an ihre Wange zu legen, „das war das erste Mal in diesem Haus, dass jemand sich auf meine Seite gestellt hat. Sonst werde ich nicht besser behandelt als die Dienstboten oder Sklaven, die sich mein Schwiegervater hält.“
„Aber du bist doch die Gattin seines Sohnes“, sagte Selina kopfschüttelnd, „und damit die Frau des Hauses. Du stehst dem gesamten Haushalt vor!“
„Aber er...“
„Ist der König im Haus“, ergänzte Selina zornig. „Ach Fiorina, ich wünschte, ich könnte dich mit nach Hause nehmen!“
„Reist du denn wirklich ab?“ fragte die Frau ihres Onkels traurig.
„Ja, und das so schnell wie möglich.“
„Du wirst mir fehlen.“ Sie zögerte etwas bevor sie weitersprach, „Deine Freundin ist auch nett, ich mag sie sehr gerne, aber dich habe ich liebgewonnen. Du bist so ganz anders als wir. Vor dir hat sogar der alte Santini Respekt.“ Sie lächelte leicht, „Niemand außer dir hätte es gewagt, ihm den Stock aus der Hand zu reißen.“
Selina drückte die zarte Frau an sich. „Es tut mir unendlich Leid für dich, dass du so leben musst.“
„Aber nein, so schlecht ist das doch nicht!“ rief Fiorina aus. „Ich habe doch meine Kinder, ein sicheres Heim und meinen Mann, den ich liebe. Auch wenn er kein Alessandro di Barenza ist.“
Ein scharfer Schmerz durchzuckte Selina. Nein, Alessandro wäre niemals dabei gestanden und hätte zugesehen, wie ein anderer sie schlug. Er war
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