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Sellavie ist kein Gemüse

Sellavie ist kein Gemüse

Titel: Sellavie ist kein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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minderheitenfreundlichen Aufklebern. Sind sie dazu noch ordentlich frisiert, dann ist es ein dunkelblauer VW-Passat-Kombi mit Kindersitz und Lackschäden.
    Der hier, was sagen Sie zu dem? Der müßte doch eigentlich, der dunkelgrün- und blaukarierten Breitcordhose nach zu urteilen, zu einem Porsche 924 gehen. Trotz des Bartes, sagen Sie? Ja, trotz des Bartes, der Bart ist kurz genug und sauber getrimmt. Ich will Ihnen sagen, warum er es trotzdem nicht tun wird. Er hat so was Universitäres im Gesicht. Ja, genau, sein Umgang verbietet ihm einen Porsche, obwohl sein Herz und sein Erbteil dafür sprechen. Sehen Sie, das wußte ich, ein silbergrauer Saab 900. Die perfekte Ausweichmöglichkeit für Leute, denen eine gewisse Dezenz aufgezwungen wird.
    So, ich mach’ mich jetzt auf die Socken, ja Socken, ich gehe zu Fuß. Leidenschaftlich gern übrigens , seit ich meinen Führerschein abgeben mußte. Nein, Sie dürfen mich nicht mitnehmen, ich vertrage keine Recaro-Sitze. Oder sollte ich Ihre Lederkrawatte mit der witzigen Spange falsch gedeutet haben? Wenn wir uns mal wiedersehen, zeige ich Ihnen den typischen Land-Rover, den typischen Verchromte-Radkappen und den typischen Ach-irgendein-billiger-Japaner-tut’s-doch-auch. Oder den Volvo-Bart, die Citroën-Halbglatze und die Lada-Lederjacke.

Magna Cum Laude
    Der mit den Fremdwörtern

    „Wir rochieren jetzt mal“, sagt er und meint damit, daß man sich von der Sitzecke zum Eßtisch bemühen solle. Dort hat seine Frau nämlich mittlerweile einen frugalen Snack bereitet. Während wir uns noch plazieren, racontiert er schon eloquent die Geschichte, wie er seinen Geschäftspartner mit einem fait-accomplit überrascht habe. Wir loben die Crostini und den Salmone, superb, sagen wir, aber die Frau delegiert unsere Elogen bescheiden an den Deus-Ex-Machina weiter: Mit so einer exzellent ausgestatteten Küche könne man nichts falsch machen. Wir widersprechen und ihr Mann mischt sich ein, das dürfe man wie alles im Leben natürlich nur cum grano salis nehmen, pure Effizienz akkumuliere sich wohl in Gerätschaften, aber niemals doch die Fähigkeit zu solch exorbitant subtiler Balance in der sowohl Taktiles als auch Olfaktorisches einschließenden Nuancierung geschmacklicher Finessen. Das sage er, fügt er noch hinzu, als Ex-Epikuräer, dessen Konversion von den sensorisch depravierenden Abgründen des Fast-Food-Konsums noch gar nicht so lange zurückliege.
    „Das kommt aber ziemlich Ex-Cathedra“, finde ich, doch er meint, ich möge ihn nicht des Solipsismus zeihen, brauche ihn ja nicht pars pro toto zu nehmen, könne andererseits aber durchaus von seiner möglicherweise sogar idiosynkratische Züge angenommen habenden Gaskonade das Bramarbasierende abziehen und es bleibe ein Quasi-Engramm dessen, was er meine. Der Nucleus sozusagen.
    Meine Frau, deren Manieren im allgemeinen über jeden Zweifel erhaben sind, haut den Löffel in die Kressesuppe, daß es nach allen Seiten spritzt und sagt, sie mache das jetzt nicht mehr mit. In das entstandene Schweigen hinein sagt sie: „Ich extrapoliere auf die nächsten zwei Stunden und was da zusammenkommt, verhält sich irgendwie konträr zu meinem Imago eines netten Gesprächs unter Freunden.“ Die Gastgeber schweigen noch immer, während wir unsere Mäntel nehmen, der Eklat ist perfekt. Situativ steppt der Bär ohnehin, also ziehen wir nur noch verlegen die Tür hinter uns ins Schloß. Auf der Treppe meine ich noch sowas ähnliches wie hybride Megäre oder Hetäre zu hören.
    „Ich mußte einfach intervenieren“, sagt meine Frau im Auto, „das wäre noch stundenlang so weitergegangen.“
    „Luzid antizipiert“, sage ich, „in den Orkus mit dieser Telefonnummer. Die ist obsolet.“

Überall freundliche Agenten
    Der partiell Unsichere

    Warum sind alle meine Freunde Versicherungsvertreter ? Ich meine, natürlich ist mir deren Berufswahl wurscht, aber warum ist keiner Arzt, Anwalt oder Apotheker? Mach’ ich was falsch? Meiden die mich? Warum? Warum gerade mich?
    Vielleicht war ich auf der falschen Schule? Obwohl, aus meiner Klasse wurde nur einer Versicherungsagent. Zum Beispiel neben mir saß Schiffi, er hieß Markus, so heißt er immer noch, der ist immerhin bei der Commerzbank in Ludwigsburg. Oder war das Ludwigshafen. Beim letzten Klassentreffen tat er, als gehöre ihm die ganze Bank. S-Klasse Mercedes, pfui Deibel. Und diese Würde … genauso lächerlich wie die fünfundachtzig Mark teure Betonfrisur seiner Frau. Oder

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