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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sie in einem Schubfach, in dem außerdem ein Dutzend angerauchte Pfeifen lagen. Die Liste war mindestens fünfzehn Jahre alt. Sie zeigte nur die Schriftzüge Bassos, aber sie waren fast verblaßt, und seine Schrift hatte sich verändert.
      Die Adressen lagen fünfzehn Jahre zurück. Es waren die Namen vielleicht schon vergessener Kameraden. Einige waren durchgestrichen, vielleicht nach einem Streit, einem Todesfall …
      Es gab auch Adressen, die auf Beziehungen zu Frauen hinwiesen, darunter eine besonders aufschlußreiche.

    Lola, ›Bar des Roses‹, 18 , Rue Montaigne.

    Der Name Lolas war mit Blaustift aus Bassos Leben getilgt.
      »Finden Sie, was Sie suchen?« fragte die Sekretärin.
      Ja, er fand! Eine Adresse, wohl nicht ganz standesgemäß, da der Kohlengroßhändler sich nicht getraut hatte, den ganzen Namen hinzuschreiben.

    Ul. 13 , Rue des Blancs-Manteaux.

    Tinte und Schrift gehörten in die Zeit der anderen alten Eintragungen. Und auch diese hatte der Blaustift ausgetilgt, doch nicht so, daß sie unleserlich geworden wäre.
      »Können Sie mir sagen, wann diese Worte ungefähr geschrieben worden sind?«
      Die Sekretärin beugte sich über das Blatt und entgegnete:
      »Sie stammen aus Monsieur Bassos jungen Jahren, als sein Vater noch am Leben war.«
      »Woran sehen Sie es?«
      »Es ist die gleiche Tinte, mit der auch die Adresse der Dame geschrieben ist. Monsieur Basso hat mir einmal gesagt, das sei ein Jugendabenteuer gewesen …«
      Maigret nahm die Liste an sich und ließ sie in seine Tasche gleiten. Die Sekretärin begleitete diese Bewegung mit einem vorwurfsvollen Blick.
      »Glauben Sie, daß er wiederkommt?« fragte sie nach einer Weile.
      Der Kommissar zog die Brauen hoch und machte eine ausweichende Handbewegung. Als er am Quai des Orfèvres ankam, wurde er vom Bürodiener Jean mit den Worten empfangen:
      »Man sucht Sie schon seit zwei Stunden, Herr Kommissar. Die Familie Basso ist gefunden.«
      »So?«
      Er schien nicht sehr begeistert zu sein. Es sah fast aus, als täte es ihm leid.
      »Hat Lucas telefoniert?«
      »Das tut er alle drei, vier Stunden. Der Mann ist noch immer bei der Heilsarmee. Als man ihn wegschicken wollte, nachdem man ihm zu essen gegeben hatte, bot er sich an, die Räume auszufegen.«
      »Ist Inspektor Janvier im Haus?«
      »Ja, er ist eben zurückgekommen.«
      Maigret suchte ihn in seinem Büro auf.
      »Ich habe eine knifflige Aufgabe für dich, mein Lieber, in der Art, wie du sie magst. Es geht darum, eine gewisse Lola ausfindig zu machen, die vor zehn, fünfzehn Jahren ihre Post unter der Adresse der ›Bar des Roses‹, Rue Montaigne, bekam …«
      »Und seither?«
      »Vielleicht ist sie im Spital gestorben, vielleicht hat sie einen Lord geheiratet … Das sollst du herausfinden.«
      Im Zug, der ihn nach La Ferté-Alais brachte, betrachtete er mit einer gewissen Rührung die Adressen, die geeignet waren, eine ganze Männerjugend heraufzubeschwören.

    Ein Gendarmerieleutnant war an der Bahn. Er brachte den Kommissar ans Häuschen der alten Mathilde, vor dessen Tür Piquart mit ernstem Gesicht Wache hielt.
      »Auf der Rückseite gibt es keine Fluchtmöglichkeit«, erklärte der Leutnant, »und drinnen ist es so eng, daß der Mann sich draußen postieren mußte … Soll ich mit hineingehen?«
      »Vielleicht lieber nicht.«
      Maigret klopfte und trat ein. Obschon spät, war es noch ziemlich hell, aber das winzige Fenster ließ so wenig Licht in den Raum, daß die Menschen kaum zu erkennen waren.
      Basso, der rittlings auf einem Stuhl gesessen hatte, sprang auf, als hätte er schon lange gewartet. Seine Frau schien sich mit dem Jungen im Nebenraum aufzuhalten.
      »Wollen Sie bitte Licht machen«, sagte Maigret zu der Alten.
      »Muß erst nachsehen, ob ich Petroleum habe«, gab sie mit krächzender Stimme zurück.
      Ja, Petroleum war noch vorhanden. Das Glas der Lampe klirrte, der Docht blakte jetzt und ließ eine gelbliche Flamme emporzüngeln, die nach und nach die Dunkelheit erhellte.
      Es war warm, und in der kleinen Stube roch es nach Stall und Armut.
      »Setzen Sie sich nur«, sagte Maigret zu Basso. »Und Sie, Mütterchen, Sie lassen uns allein.«
      »Und meine Suppe?«
      »Um die werde ich mich kümmern.«
      Sie ging brummend hinaus, schloß die Tür und murmelte im Nebenraum weiter.
      »Gibt es nur die zwei Zimmer?« fragte Maigret.
      »Ja. Nebenan ist

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