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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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der Tipp von Warren Buffet persönlich gekommen wäre, denn im Bruder seinerExfrau paarte sich die leider in dieser Familie grassierende ganz normale Blödheit mit einem unglaublichen Maß an Selbstüberschätzung ... aber Baumann wusste nichts von Koslowskis Gedanken, und seine Gedanken kreisten um nichts weniger als den eigenen Tod. Das ist, man muss es zugeben, ein wichtiges, großes Thema. So dass die vollkommen idiotische Idee, für fast zweihunderttausend Euro (alles, was der Mann besaß) Aktien einer einzigen Firma zu kaufen, in den Hintergrund gedrängt wurde. Baumann war sicher: ohne die Aufweitung und die zahlreichen dabei drohenden Komplikationen hätte er Koslowski die Sache ausgeredet. Er wäre massiv geworden: hätte ihm das Geld, die ganzen zweihunderttausend, in einem Plastiksack über den Tisch geschoben und ihn rausgeschmissen. »Gehen Sie! Gehen Sie zu einer anderen Bank! Wenn Sie sich ins Unglück stürzen wollen – bitte sehr! Aber nicht an diesem Institut, nicht mit meiner Hilfe ...« So hätte er gesprochen. Er hatte das schon zweimal gemacht; ein zerknäulter Plastiksack lag für solche Fälle in der untersten Schublade – beide Male hatten die Kunden eingelenkt, waren vor großem Schaden bewahrt worden.
    Aber diesmal ... nicht alles im Leben kann gelingen. Die Ehe mit Jeanette war nur ein Beispiel unter vielen. Baumann nahm es mit Gleichmut.
     
    E ine Woche später rief Wurtz an. Wegen der neuen Broschüre, die der Kunstverein herausgeben wollte, sie müssten da ... Semmler unterbrach ihn mit dem Angebot, sich sofort zu treffen, zufällig sei es gerade günstig, er könne sich eine halbe Stunde freimachen ...
    »Nein, ich bin sowieso in der Gegend, ich komm gleich vorbei!« Wurtz hatte aufgelegt, bevor Semmler etwas erwidern konnte. Er lief zur Haustür und öffnete das Schiebetor. Er wollte verhindern, dass Wurtz die Sprechanlage benutzte, er wollte verhindern, dass sich Wurtz auch nur einen Augenblick länger als unbedingt nötig auf der Straße vor dem Anwesen aufhielt, am besten wäre es gewesen, Wurtz wäre gar nicht hergekommen – am besten in jedem Sinn, denn dass er es nötig fand, zu kommen, hieß doch, dass sich eine Katastrophe anbahnte oder schon im Gange war.
    Im Gange stimmte. Als Wurtz mit einer für seine Verhältnisse hohen Geschwindigkeit den großen Audi durchs offene Tor gelenkt und vor dem Haus gehalten hatte, öffnete Semmler die Haustür. Wurtz stürzte aus dem Auto, als habe er eben eine Klapperschlange unter dem Beifahrersitz hervorkriechen sehen und rannte die fünf Stufen hoch, wobei er es fertig brachte, auf der letzten zu stolpern. Fast wäre er lang hingeschlagen.
    »Häng dir doch ein Schild um: Defraudant auf der Flucht.« Semmler war verärgert. Wurtz hatte die Sache verbockt, irgendwie war ihm das gelungen, an der Quelle zu sitzen, aber alles falsch mitzukriegen. Im Geiste überschlug er schon seine Verluste und suchte nach Möglichkeiten, sie zu verringern. Die gab es natürlich ...
    »Harlander hat sich eingemischt!«, rief Wurtz. »Der will die Firma kaufen! Das kam ganz überraschend, heute früh. Um zehn war Vorstandssitzung ...«
    »Wie sicher ist das?«
    »Nicht hundert Prozent, bis unterschrieben ist, kann man sowieso nichts sagen ...«
    »Ach ja? Kann man nichts sagen? Dann frage ich mich,warum du hierher fährst, ausgerechnet hierher, wie eine gesengte Sau, direkt aus der Vorstandssitzung ... was hast du denen gesagt? Entschuldigt, ich muss nur schnell meinen Strohmann warnen? Dann muss ich dich enttäuschen ...«
    »Du hast schon ...?«
    »Natürlich.«
    Wurtz stöhnte auf. Er schritt zur Treppe, wankte fast, hielt sich am Endknauf des Geländers fest und ließ sich auf die vorletzte Stufe nieder. Die Krawatte saß schief, die Haut bleich mit ungesundem Grauton. Semmler dachte nach. Harlander war ein Großinvestor, der manchmal als »weißer Ritter« aufkreuzte und Firmen vor feindlichen Übernahmen oder dem Untergang rettete. Diesen Dienst ließ er sich zwar gut bezahlen, aber die öffentliche Sympathie lag auf seiner Seite, selten auf der des Angreifers und fast nie beim unfähigen Management des angegriffenen Unternehmens. Versager liebt niemand.
    Die Rettung durch Harlander würde nicht nur den Kurssturz der SILIV-Aktie verhindern, sondern ihr sogar Aufschwung geben. Semmler war immer gut im Kopfrechnen gewesen, das Ergebnis eines raschen Überschlags verheerend. Er hatte insgesamt zehntausend Putoptionen gekauft, die Hälfte für Wurtz,

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