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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Andererseits: Als Stiefvater war er nicht so übel gewesen, Karin hatte ja Vergleichsmaterial in den leiblichen Vätern ihrer Freundinnen, da gab es Kreaturen ... Koslowski wusste das alles, denn Karin erzählte gern, und sie erzählte es ihm. Ja, er hatte ein gutes Verhältnis zur Tochter, ob Stief- oder nicht, spielte keine Rolle. Ihr Recht-Unrecht-Test versagte, weil sie in töchterlicher Blindheit die ungeheuerliche Tat ihrer Mutter nicht richtig einzuschätzen wusste – und Koslowski würde ihr dazu kein Wort der Aufklärung sagen, kein schlechtes Wort über ihre Mutter. Semmler würde ihr zur Wahrheit verhelfen. Durch alles, was er sagte, tat oder auch zu sagen und zu tun unterließ; das konnte anders nicht sein. Semmler würde sich als eindeutig identifizierbares Arschloch erweisen, wenn sich erst die Nebel der Emotion und Seelenverwirrung lichteten, die jetzt noch über der Szene lagen. Dann würde sich auch herausstellen, dass tatsächlich – da schau her! – jemandem Unrecht geschehen war, noch dazu schweres Unrecht, und zwar einem einzigen Menschen: ihm, Koslowski, dem unschuldigen Stiefpapa.
    Er musste nicht viel dazu tun. Nur Verbindung halten. Vorsichtig. Zunächst per Telefon. Ihre Handynummer hatte er noch.

4
    »Du willst was?« Christoph Wurtz starrte ihn an.
    »Du hast es gehört: bauen.«
    »Natürlich hab ich’s gehört – dachte nur, ich hätte es akustisch nicht verstanden ...«
    »Es liegt doch auf der Hand, es muss sein! Ich hätte das schon früher machen sollen, ich war nur blind dafür, verstehst du, in dem alten Trott ...«
    »Blind – wofür?«, unterbrach ihn Wurtz.
    »Für das Offensichtliche!« Mit dieser Bemerkung konnte Wurtz nichts anfangen, das sagte er aber nicht. Semmler breitete vor ihm einen Plan aus, sie mussten die Getränke ans andere Ende des langen Gartentisches stellen. Wurtz hatte auch Immobiliengeschäfte abgewickelt und Übung im Lesen von Plänen. Bei dem hier genügte ein Blick, um zu wissen, dass Semmler verrückt war.
    »Das ist kein Haus mehr«, sagte er, »das ist ein Palast.«
    »Nun ja ... Palast ... wenn du meinst ...« Semmler protestierte nicht einmal zum Schein gegen die Bezeichnung, sie freute ihn, das konnte er nicht verbergen. Wie ein Kind, dachte Wurtz, er freut sich wie ein Kind.
    »Es ist recht groß«, sagte er, um Beiläufigkeit bemüht, »ich würde sagen: doppelt so groß wie das alte.«
    »In etwa«, sagte Semmler.
    »Wieso?«, fragte Wurtz.
    »Wieso was?«
    »Wieso baust du so groß? Du hast doch nicht einmal das alte Haus ausgefüllt.«
    »Aber da war ich noch allein. Jetzt sind wir zu dritt!« Es klang nach Triumph.
    »Verstehe«, sagte Wurtz. Es war nicht einmal gelogen. Er verstand, dass Semmler nicht mehr normal war.
    »Die große Fläche hier ist der Pool?«
    »Wir dachten, wenn schon Pool, dann soll es ein richtiges Schwimmbad sein, wo man auch ein paar Tempi machen kann.«
    »Wir ...?«
    »Ursula und ich.«
    Wurtz erkannte den Maßstab am Rand des Plans. 1:100. Der Pool allein sah auf der Karte nach zwanzig Zentimeter aus, also zwanzig Meter in der Wirklichkeit. Wie die Längsausdehnung des Innenhofes, um den sich die einzelnen Gebäudeteile gruppierten; das Schwimmbecken lag außerhalb des Rings im Garten. Viel war davon nicht mehr übrig. Wurtz blätterte die Seiten mit den Ansichten auf. Seitenrisse. Quader. Stein, Alu und Glas. Viel Glas. Arkaden auf der Innenseite. Mit den graphischen Zeichen im Hof konnte Wurtz nichts anfangen. »Was kommt da hin?«
    »Sträucher und Bäume!« Semmler lachte über den eigenen Witz. Wurtz hatte ihn nicht verstanden. »Nein, im Ernst«, fuhr Semmler fort, »ein richtig toller Garten, es wird ein kleiner Park, wir haben dazu einen Gartenarchitekten engagiert, sehr bekannt in der Szene ...«
    »Und das Haus, wer hat das geplant?«
    »Bergmann.«
    Wurtz unterdrückte das Wort, das ihm auf der Zunge lag, das Wort »teuer«. Bergmann war ein Stararchitekt mit büschelweise Preisen und Vorzeigebauten in Wien, Berlin und Helsinki. Sein jüngstes Werk war die Repräsentanz irgendeinesEmirats ... oder war das eine Firma? Wurtz hatte davon gelesen, auf jeden Fall etwas mit Öl. Semmlers Villa sah ähnlich aus.
    »Die farbigen Pläne krieg ich noch«, erklärte Semmler, »da siehst du dann die Oberflächengestaltung auch besser ...«
    »Aha, die Oberflächengestaltung ...«
    »Ja, die Terracottafliesen und so weiter, da kenn ich mich auch nicht so direkt aus, diesen Teil hat Ursula übernommen.«
    »Ach

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