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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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ja, Ursula ...«
    »Die Fliesen kommen aus Italien, glaub ich ... sieht alles unheimlich gut aus.«
    Wurtz sagte nichts. Was sollte er auch sagen? Unheimlich gut, wie wahr. Aber viel mehr unheimlich als gut. Seit ein paar Monaten war Semmler wie verwandelt. Er hatte geheiratet, rauschendes Fest, vierhundert Leute, Wurtz mit seiner Hilde war auch eingeladen gewesen, das Fernsehen hatte einen Beitrag für die lokale Eventserie gemacht, wo die Prominenten alkoholinduzierte Statements abgaben, die sie für launig hielten; es war Wurtz schon dieses Fest weit protziger vorgekommen als es selbst in diesem Milieu von Ortskaisern und mittelständischer Provinzkamarilla üblich war – aber jetzt hatte Semmler jedes Maß verloren. Wurtz hatte sich fest vorgenommen, nicht zu fragen, weil aus der Frage nur Unangenehmes erwachsen würde, das wusste er jetzt schon, aber unter einem inneren Zwang stellte er die Frage doch wie der ewig rückfällig werdende Trinker eben doch zum Glase greift und sich im selben Augenblick dafür verachtet. Auch Wurtz verachtete sich. Dabei war die Frage ein einziges Wort.
    »Wie viel?«
    »Alles in allem – zwei. Runde zwei.«
    Das Unangenehme begann sofort. Wurtz hatte das geahnt, nur nicht vorausgesehen, worin es bestehen würde. Das Unangenehme bestand darin, dass er nicht wusste, was er sagen sollte, und dass Semmler das merkte. Die Atmosphäre veränderte sich, mit jeder Schweigesekunde wurde sie kühler. Als es schon egal war, sagte Wurtz: »Wenigstens hast du schon das Grundstück.«
    »Der Abriss ist bei den zwei dabei. Auch nicht sicher, ob es dann tatsächlich auf zwei hinausläuft, rein rechnerisch stehen wir bei eins neun, aber du weißt ja, wie das ist beim Bau.«
    »Da hast du Recht, es wird am Ende immer teurer.« Wurtz vertiefte sich in die Planunterlagen, als ob ihn Material- und Ausstattungsdetails interessierten. Es stimmte schon, auch Wurtz hatte gebaut. Aber nicht um zwei Millionen Euro. Sondern um damals fünf Millionen Schilling. Und da war ihm hinterher eine Million hinausgeschmissen vorgekommen, mindestens eine Million. Hildes Sonderwünsche. Dreihundertfünfzigtausend Euro hatte sein Haus nach heutiger Währung gekostet. Aber es war ein Haus, sehr gehoben, in guter Lage, aber eben nur ein Haus, kein ... wie sollte man das hier nennen? Villa? Bungalowlandschaft? Stadtteil?
    »Wie viel Wohnfläche hat es denn?«, fragte er, um das lastende Schweigen zu brechen.
    »Rund tausend.«
    »Oh – da habt ihr aber die Grenze für die Wohnbauhilfe deutlich überschritten.«
    Semmler lachte über den müden Witz, es platzte aus ihmheraus wie eine Explosion, Wurtz lachte mit. Gut daran, das die emotionale Temperatur wieder anstieg. Eigentlich lachen wir jetzt über die armen Leute, die auf den günstigen Kredit angewiesen sind, dachte er, ich sollte mich schämen, aber ich tu es nicht. Die Grenze lag bei hundertdreißig Quadratmetern, die man mit eigentümlicher Kasuistik des Nicht-voll-Anrechnens gewisser Flächen auf hundertfünfzig und -sechzig aufblasen konnte, ohne die Förderung zu verlieren. Aber Semmler hätte sie auch bei Beschränkung auf Einfamilienhausgröße nicht gekriegt, er war nicht »förderungswürdig«. Er war zu reich.
    »Wie finanzierst du das?«, fragte Wurtz.
    »Finanzieren? Ich finanziere gar nichts. Ich bezahl es einfach.« Semmler lachte.
    »Natürlich, bezahlst es einfach!« Wurtz lachte auch. Es hatte keinen Zweck, er kam an Semmler nicht mehr heran. Er hätte einfach fragen müssen: Warum machst du so einen Riesenblödsinn? Das traute er sich nicht. Aber bei genauer Betrachtung war die Antwort auch nicht wichtig. Im Geschäftsleben zählen nicht die Absichten und Gründe, nur die Taten. Was immer die Begründung für Semmlers Handlung sein mochte – was er da tat, war vollkommen irrational, eine perverse Verrücktheit, und zwar eine von nicht tolerierbarem Ausmaß. Wurtz kannte viele Reiche, die sich unsinnige Dinge anschafften. Jachten, Cabrios. Spleen, Hobby, Leidenschaft. Aber niemand gab zwei Millionen für ein Haus aus, einfach so. Semmler hatte die Grenze vom Exzentrischen zum Pathologischen überschritten. Schuld hatte diese aus dem gesellschaftlichen Nichts aufgetauchte Frau. Nur ein Detail. Wichtig nur eins: Wenn Semmler privat nicht mehr richtig denken konnte, wer garantierte, dasser dazu geschäftlich noch imstande war? Nun ja, niemand. Wer ihn also gut kannte, war gut beraten, ihn nicht mehr so gut zu kennen. Und später gar nicht mehr. Es ging

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