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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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mögliche Ablehnung. Schlau. Er gab sich Mühe. Gebrauchte Wörter wie ›ätzend‹, weil er glaubte, das sei ›Jugendsprache‹.
    Lauter Hunderter, ein Vielfaches von dem, was sie im Ferialjob hätte verdienen können. Sie behielt es, sagte nichts. Er selber brachte beim Abendessen die Rede drauf.
    »Gib es nicht für Blödsinn aus«, sagte er. Und ehe sie etwas Bissiges antworten konnte (geschweige denn den Umschlag holen und ihm das Ding mit großer Geste über den gedeckten Tisch entgegenschleudern), lachte er und fuhr fort: »Zum Beispiel ein Mofa! Wenn du ein Mofa willst, dann kriegst du eins – das Geld ist für die Ferien, für laufenden Bedarf, nicht für Anschaffungen. Anschaffungen bezahlen deine Mutter und ich. Mofa wäre eine Anschaffung!« Sie war wie erschlagen. »Danke«. Es rutschte ihr raus, ihre Mutterlegte die Hand auf den Arm Semmlers und schaute ihn an wie eine liebeskranke Kuh. Es war widerlich. Aber jetzt konnte sie den Umschlag nicht mehr zurückgeben. Den Zeitpunkt verpasst. Und natürlich wollte sie ein Mofa. Am besten gleich. Wenn er ihr gesagt hätte, sie könnten jetzt, am Abend um neun, zu einem Händler fahren, weil er den gut kenne und gleich Knall auf Fall eins kaufen – sie wäre aufgesprungen und hätte ihn umarmt. Und das hätte sie auch nicht mehr rückgängig machen können. Er kaufte sie. Darin war er gut, natürlich, er war ja auch Geschäftsmann oder so, ein Geldmensch, er wusste, wie man das macht, Menschen kaufen. Sie hatte keine Ahnung. Gott sei Dank war es Abend und neun Uhr, und Gott sei Dank kannte er keinen Mofahändler. Wäre sie mit dem Teil zu Papa gefahren? Ihr wurde schlecht, wenn sie daran dachte. Ihr Vater verkam, weil er kein Geld für eine Putzfrau hatte, aber das Fräulein Tochter fährt mit dem Mofa vor! Papa hätte nichts gesagt, das wusste sie. Sich nur seinen Teil gedacht, große Reden führen, von wegen ›ich denk mir was aus!‹; und in Wirklichkeit ... Sie atmete tief durch; Semmler war tatsächlich ein bisschen gerührt, es machte Spaß, jemandem eine Freude zu machen, das hatte er vernachlässigt im bisherigen Leben, Karin wurde richtig rot, kein Zweifel, sie freute sich wie eine Schneekönigin. Und Ursula freute sich, es war ihr anzusehen, und er freute sich, weil sie sich beide freuten, alle freuten sich! Das Leben war schön!
    Gesprochen wurde nicht mehr viel bei diesem Abendessen.
    Papa erzählte sie nichts von dem Umschlag. Sie kaufte ihm eine Saeco, transportierte sie im Bus. Er freute sich, fragte aber nicht, woher sie das Geld hatte; woher würde siees wohl haben? Sie hatte ihm das Feingefühl nicht zugetraut, das Geld für die Maschine einfach nicht zu erwähnen, das war auch besser so, für ihn wie für sie, Ausrede wäre ihr sowieso keine eingefallen. Sie hätte seinen Rat gebraucht, wie sie sich nun verhalten sollte; aber aus irgendeinem Grund fing er nicht an, von Geld zu reden. Sie ging bald wieder.
    Die Ferien liefen nicht so toll, wie sie das erwartet hatte. Kein Postdienst, das war super – aber eben nicht so super; niemand konnte den ganzen Tag vor sich hin murmeln: Mensch, ich muss in dieser Hitze nicht mit dem Postrad rumfahren! Etwas Lästiges, erkannte sie, ärgerte einen viel mehr, als es einen freute, wenn einem das Lästige erspart blieb; an der Sache war etwas komisch unausgeglichen. Und was machte sie schon mit der Zusatzfreizeit: auch am Vormittag mit der Clique im Schwimmbad oder am Baggerloch rumhängen. Die Freundinnen ließen sich den lieben Tag lang von Typen anbaggern, darin bestand ihr Ferienvergnügen; für Karin kam es nicht in Frage, die Hans-Joachim-Sache frisch wie eine kaum verheilte Wunde, die erste dünne Haut hatte sich gebildet, es blutete nicht mehr, es lief auch kein Sekret raus, aber wenn sie aus Versehen dran kam, tat es weh wie am ersten Tag.
    Sie begann sich von den anderen zu absentieren, ging nicht mehr zum Baden, machte dafür lange Radausflüge ins glühend heiße Lauteracher Ried, trat in die Pedale; über die hitzeflimmernden Feldwege, kreuz und quer ohne Ziel, bis sie so erschöpft war, dass sie nur mit Mühe nach Hause kam und ins Bett fiel wie ein Stein.
    Reisen wie andere ging heuer auch nicht. Schuld war ihre Mutter. Semmler hätte sie durch halb Europa geschleift, alle beide, tauchte am Abend mit Spezialkatalogen auf, Städtereisen,Badereisen, Kunstreisen. Von Sizilien bis zum Nordkap, sogar eine Kreuzfahrt wäre drin gewesen. Aber Ursula wollte nicht. Sie müsse sich heuer erst an

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