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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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das Haus gewöhnen, sagte sie, nachdem er ein halbes Dutzend Mal versucht hatte, sie für einen Urlaub zu begeistern; nächsten Sommer bestimmt, aber diesen nicht. Er akzeptierte das, wie alles, was von ihr kam, die Kataloge tauchten nicht mehr auf.
    Eine Reise hätte Abwechslung bedeutet, Hans-Joachim aus ihrem Kopf verbannt und die Schlampe, mit der er ging. Wenn sie nicht an Hans-Joachim dachte, der sie betrogen und verlassen hatte, dachte sie an Papa, den die Mutter betrogen und verlassen hatte. Das doppelte Unrecht. Es addierte sich nicht, sondern multiplizierte sich, es war ein Quadratunrecht, das lastete auf ihr wie eine Betonplatte.
    An diesem Donnerstagnachmittag war sie früher nach Haus gekommen als sonst. Sie hatte ihren Vater besucht. Es ging ihm nicht gut, er litt unter der Hitze, die ihm früher nichts ausgemacht hatte. Kosloswki wohnte in seinem alten Haus, nicht wie seine Tochter in einem neuen, rundum klimatisierten. Das fiel ihr ein, als sie die Eingangshalle betrat, wo sie von wunderbarer Kühle umfangen wurde. Jeder Raum ließ sich einzeln regeln. Das Personal hatte frei, die beiden anderen auch nicht da. Sie duschte mit lauwarmem Wasser. Ohne positive Wirkung auf die Stimmung. Das Unrecht ließ sich weder betäuben noch wegduschen, auch nicht verkleinern durch symbolische Handlungen wie den Kauf einer Saeco. Das glaubten auch nur Töchter, dachte sie, die dem Vater eine Kaffeemaschine kaufen. Als Trostpreis, weil die Mutter mit einem Millionär davon gelaufen ist. Ein Almosen. Hätte sie ihm nicht gleich das Geld zustecken können? Es war widerwärtig. Alles nur wegen der Aussichtauf ein Mofa ... ›Weibisches Zagen, ängstliches Klagen, wendet kein Elend, macht dich nicht frei.‹ Wie wahr, Herr Goethe, wie wahr! Aber Ihre Verse wenden sich doch an Erwachsene, oder? Wie alt ist die junge Dame, die sich mit hundertzwanzig Euro freikaufen will? Sechzehn? Oh, schon sechzehn! Warum führt sie sich dann auf wie eine Zehnjährige? Ich will ein Mofa, ein Mofa ...!
    Hass und Mitleid scheinen weit auseinander zu liegen. Und leicht zu trennen, wenn es um fremde Personen ging; manche hasste man, andere verdienten Mitleid. Aber Karin sollte erfahren, dass es, sobald sich das Selbst hineinmengte, nicht mehr so einfach war, zu entscheiden, was nun galt. Selbsthass und Selbstmitleid, kaum zu trennen, beides schien aus dem jeweils anderen hervorzugehen, sich ins andere umzuwandeln.
    Beides war ekelhaft.
    Karin trat auf den Patio. Es war heiß ohne Sonne. Über den Schweizer Bergen hatten sich Wolkentürme übereinander geschichtet, schwarz und grau. Sie ging auf die andere Seite des Innenhofs, um sich aus der Küche etwas zum Trinken zu holen.
    Sie hörte etwas, das ließ sie vor der Küchentür zögern. Die war angelehnt. Das Geräusch kam aus der Küche. Im Gegensatz zu ihrem Vater gelang ihr gleich die Einordnung. Sie musste nur einen einzigen Blick durch den Spalt wagen, um die Einordnung zu bestätigen. Ihre Mutter saß auf der Anrichte, hatte die Beine um Semmler geschlungen, dessen Shorts auf die Knöchel gerutscht waren. Der Hintern bewegte sich. Langsam, kraftvoll. Das Geräusch, ein hohes Wimmern, kam von der Mutter, darunter ein tiefes Schnaufen von ihm. Wie ein Pferd, das einen schweren Wagenzieht. Allerdings hat kein Pferd Shorts um die Knöchel. Karin wusste, dass Jungs in diesen Dingen sich unglaublich bescheuert anstellen konnten, hatte aber immer gedacht, dass liege an der mangelnden Erfahrung und wachse sich aus; jetzt sah sie einen Erwachsenen eine so unglückliche Figur machen.
    Sie zog sich von der Tür zurück. Es muss sie überkommen haben, dachte sie, wer, der seine fünf Sinne beisammen hat, vögelt am helllichten Tag in der Küche, ohne auch nur die Tür zuzumachen – gut, das Personal hatte frei, es gab die Gelegenheit – und eine Leidenschaft, die sie sich nicht vorstellen konnte. Hans-Joachim wäre nicht auf so eine Idee gekommen.
    Sie ging in ihr Zimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Sie konnte nicht umhin, die Situation zu analysieren, obwohl sie den Vorfall am liebsten vergessen hätte. Ans Personal hatten sie gedacht, an die Tochter nicht. War die nicht weg? Ach ja, die hängt ja den ganzen Nachmittag bei ihrem Versagervater rum. Die Versagertochter. Die hatten vergessen, dass sie etwa früher heimkommen könnte ... nein, nein, das war nur eine Beschönigung der Lage. Die Erkenntnis begann sich in ihr auszubreiten wie kaltes Wasser: Die hatten nichts vergessen. Es war

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