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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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bei dem Ganzen lag darin, auf das Thema hinzuführen. Er hatte sich verschiedene Strategien ausgedacht, von denen ihn keine so recht überzeugte; wenn man erst einmal dort war, würde das Weitere sich finden. Diese Generation war materialistischer, die verachteten das Geld nicht, wie es in seiner Jugend üblich gewesenwar, sie hatten zu Gelddingen ein natürliches Verhältnis. Du brauchst Geld, hatte sie gesagt. Er war stolz auf sie; es gab eben doch einen Einfluss der Erziehung, es war nicht alles genetisch, wie es heute aus allen Instituten hinausposaunt wurde ... seine Gedanken schweiften ab, er versuchte sich zu konzentrieren; das hatte sie gut erkannt, er ging aus dem Leim, das war nicht gespielt, oder eben besonders gut gespielt ... wo ist eigentlich der Übergang von ›method acting‹ zur Realität?
    »Ich hab halt keins«, sagte er, »Geld. Was soll ich machen?«
    »Das überlegen wir uns. Mir wird schon was einfallen.« Aha. Überlegen tun wir , aber einfallen wird es ihr . Ihm sollte es recht sein. Sie war der Schlüssel. Er hatte keinen Plan. Nur ein fest umrissenes Ziel. Es ging nicht um irgendwelches Geld, es ging um ein bestimmtes Geld, das sich im Besitz einer bestimmten Person befand und von dort in seinen Besitz übergehen sollte. Musste. Und würde. Anfangs- und Endpunkt der Operation lagen fest, wie bei einer chemischen Reaktion. Nur der Übergang, die Reaktion selber, stand in Frage.
    »Es ist ja nicht so, dass es kein Geld gäbe«, philosophierte er, »es gibt haufenweise davon auf der Welt; es ist nur das Problem, wie man es in die eigene Tasche lenkt. Das hab ich versäumt ...«
    »... es in die eigene Tasche zu lenken?«
    »Ich hätte viel früher damit anfangen sollen. Weißt du, das war früher anders. In deinem Alter waren wir alle überzeugt, wenn einer Geld hatte, dann hatte er es gestohlen, nicht einfach mit einem Griff in die Kasse, aber mit Tricks, verstehst du, Ausbeutung und so. Gestohlen halt. Wir haben das wirklich geglaubt ...«
    »Ihr hattet sicher recht.«
    »Ja, ja. Wir hatten recht und heute haben wir nichts davon.«
    »Aber du hast auch heute recht, Papa. Es gibt schon Geld. Ganz in der Nähe. Es ist nur die Frage ...« Sie vollendete den Satz nicht. Er vermied es, nachzufragen. Kein Wort jetzt! Allergrößte Vorsicht. Es lief besser, als er zu hoffen gewagt hatte. ›Papa‹ hatte sie gesagt. Wie heißer Punsch; die Wärme breitete sich in der Brust aus. Und ›ganz in der Nähe‹ – das war eindeutig.
    Sie stand auf. »Ich muss los«, sagte sie, »danke für den Kuchen. Und den Kaffee.«
    »Ich kauf mir eine neue Maschine«, sagte er, »wenn du das nächste Mal kommst ...«
    »Das tust du nicht, hörst du? Ich denk mir was aus. Und du kaufst keine Kaffeemaschine!«
    Er versprach es. Sie umarmten sich, dann wendete sie sich schnell ab. Feuchte Augen, dachte er, sie will nicht, dass ich das Wasser in ihren Augen sehe. Auch in seinen Augen stand Wasser, er verbarg es nicht, das sollte sie ruhig sehen, ihr Papa ist gerührt. Und er war gerührt, er hatte eine gute Tochter, die sich Sorgen machte; dabei war er nur der Stiefvater, er musste nur in dieser Richtung weiterdenken und würde losweinen, noch ehe sie aus der Tür war, echte Tränen, wirkliche Empfindung. ›Method acting‹ eben.
     
    D ie erste Hitzwelle des Jahres hatte vor einer Woche begonnen. Karin vertrug es schlecht, sie konnte sich nicht konzentrieren, nicht schlafen. Lotte war das genaue Gegenteil, den ganzen Tag am Baggerloch. Wenn sie vor die Tür ging, fingsie an, braun zu werden, legte sich für Stunden in die Sonne. Karin musste im Schatten bleiben, nicht wegen der Haut, ihre Mutter kaufte ihr die teuersten Schutzpräparate, die sie dann an ihre Freundinnen verschenkte. Es war das Kopfweh, das sie aus der Sonne trieb, nach fünf Minuten musste sie in den Schatten, sie hielt es sonst nicht aus. Die Clique suchte sich Plätze, wo es auch Schatten für Karin gab, das war oft stressig, weil auch andere auf diese Orte spekulierten. Lange Suchereien, wenn sie zu spät dran waren.
    Karin war bis jetzt jeden Sommer bei der Post gewesen, früh raus, aber spätestens um drei hatte sie frei. Heuer war es anders. Semmler hatte ihr zwei Wochen vor Beginn der Schulferien einen Umschlag in die Hand gedrückt.
    »Das ist doch ätzend«, sagte er, »das frühe Aufstehen. Erhol dich doch heuer einfach mal.« Der Umschlag war dick. Er wartete ihre Antwort nicht ab, ging zum Auto, wo ihre Mutter wartete, vermied dadurch

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