Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
wieder Wolfsaugen. „Lass das.“ Sie stellte ihr Handy leiser.
„Wer sind die Kerle?“
„Braucht dich nicht zu kümmern.“ Sie schob das Handy in die Hosentasche und sah ihn fragend an. „Hast du Hunger?“ Seit einem späten Frühstück hatten sie beide nichts mehr gegessen.
Es dauerte eine Weile, bis er eine Antwort herausbrachte. „Und wie.“
Sie fuhren zu einem Burger-Laden in einer kleinen Vorort-Einkaufsmeile. „Fleisch und Fett. Lecker.“ Sie leckte sich die Lippen, ihr Magen knurrte. „Ich steh auf Burger.“
„Ziemlich voll“, war Rileys Kommentar.
„Du kannst im Wagen bleiben. Ich bring dir etwas mit, wenn ich gegessen habe.“ Ein boshaftes Lächeln. „Ist dann zwar kalt und pappig, aber Wölfe fressen doch alles, nicht wahr?“
Er stieg aus und folgte ihr. Als er für sie mitbezahlte, zuckte sie nur die Achseln, darüber würde sie keinen Streit anfangen. Unter Raubtiergestaltwandlern musste man hin und wieder nachgeben, wenn man sich keine Gehirnerschütterung zuziehen wollte. Raubtiermänner hatten eisenharte Schädel. Und da sie Riley immer noch nicht ans Steuer ließ, war ein Kompromiss an dieser Stelle ein kleiner Ausgleich.
Allerdings wohl nicht für Riley. Der blickte so finster drein, als sie sich setzten, dass die Jugendlichen am Nebentisch – eine Gruppe nichträuberischer Gestaltwandler – sie beunruhigt anstarrten.
„Entspannt euch“, sagte sie. „Er zieht nur so ein Gesicht, weil es keine süßsaure Sauce gibt.“
Einem der Mädchen gelang ein nervöses Lächeln, die anderen sahen auf ihre Teller.
Riley schob ihr einen Burger zu. „Steck ihn in den Mund.“
„Du meinst, ich soll die Klappe halten?“ Sie biss in den Burger und schnurrte tief in der Kehle. „Wie nett.“ Es hörte sich an wie: „Wnnttt.“
Riley verschlang die Hälfte des Burgers mit einem Bissen und nahm sich dann von den Extrabrötchen, die sie beide bestellt hatten. Als sie sich bei seinen Pommes bediente, knurrte er nicht einmal. Die Raubkatze beschloss, beim Essen nett zu sein, denn Nahrung schien ihn zu besänftigen. Sie war gerade beim dritten Burger – schließlich hatte sie ordentlich Hunger – und Riley beim vierten, als sich ihr mit einem Mal die Nackenhaare aufstellten und er so still wurde wie ein Raubtier auf der Lauer.
Beide sahen aufmerksam zur Tür. Ein Mann war eben hereingekommen. Der Kleidung und dem Geruch nach zu urteilen ein Medialer. Er verströmte zwar nicht den unangenehm metallischen Geruch derjenigen, die vollkommen in Silentium gefangen waren, aber etwas davon klebte an ihm. Er roch wie verdorben, knurrte Mercys Leopardin, der Mann war durch irgendetwas verdorben worden.
Noch bevor sie diesen Gedanken ganz zu Ende gedacht hatte, war sie schon aufgesprungen, Riley ebenfalls. Der Mann sah sich verwirrt um und griff dann in eine Papiertüte. Mercy bewegte sich leise und geschmeidig auf ihn zu. Im ganzen Restaurant war es unnatürlich still geworden. Nicht nur Gestaltwandler, alle Lebewesen besaßen einen Instinkt, der sie vor Gefahren warnte.
Der Mann zog die Hand aus der Tüte.
„Jetzt!“ Mercy wusste nicht, wer von ihnen beiden gerufen hatte, aber als der Mann die Waffe herauszog, sprangen sie gleichzeitig los, stürzten sich auf ihn und fielen mit ihm zusammen durch die Glastüren auf den Bürgersteig.
Er schrie, als er auf dem Beton aufschlug, Fußgänger ließen vor Schreck ihre Taschen fallen und spritzten schreiend auseinander. Glas glitzerte im Sonnenlicht, aber Mercy hatte nur Augen für die Waffe.
„Ich habe ihn“, sagte Riley.
Sie ließ den Medialen los und entfernte vorsichtig und rasch die Patronen. „Himmel. Eine Maschinenpistole, er hätte alle töten können.“ Ihr wurde ganz kalt ums Herz, als sie an die Jugendlichen, die Mutter mit dem Kinderwagen und das ältere Paar dachte.
„Ruf die Polizei“, sagte Riley, der den Glasscherben auf seiner Haut keinerlei Beachtung schenkte. „Und einen Krankenwagen. Er ist verletzt.“
Der verhinderte Attentäter lag stöhnend da. Sein Blick war unerwartet klar. „Was ist denn passiert? Ich kann mich an nichts erinnern“, flüsterte er. „An gar nichts.“
„Ich habe schon Bescheid gesagt“, sagte jemand mit zitternder Stimme.
Mercy sah hoch, es war das Mädchen, das sie vorhin angelächelt hatte – irgendeine Vogelart, ihr Haar wirkte so weich und leicht wie die Schwingen eines Tieres. „Gut gemacht. Kann ich dein Sweatshirt haben?“
Das Mädchen nickte und zog es sich über den
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