Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Kopf; darunter kam ein knappes pinkfarbenes T-Shirt zum Vorschein. „Bitte.“
Mercy bettete den Kopf des Medialen auf das Sweatshirt. Die Türen hatten aus Sicherheitsglas bestanden, sie hatten keine Schnitte davongetragen, waren aber heftig auf dem Bürgersteig aufgeschlagen. Der Mediale blutete. „Ich glaube, er hat eine Gehirnerschütterung.“
„Sehr gut.“ Die pragmatische Feststellung eines Wolfsoffiziers. „Dann ist er nicht fit genug, um Schwierigkeiten zu machen.“ Riley stand auf, wahrscheinlich hielt er nach weiteren Gefahren Ausschau. Mercy hätte gerne Kontakt zu Faith aufgenommen, damit diese ihrem Vater, dem Ratsherrn Anthony Kyriakus, Bescheid sagte, aber in der Öffentlichkeit konnte sie diesen Anruf nicht wagen. Anthonys Sympathien für die Rebellen im Medialnet waren ein gut gehütetes Geheimnis.
Ihr Blick fiel auf eine Frau in schwarzer Gothic-Aufmachung, die Lippen waren mitternachtsblau geschminkt, und sie trug fingerlose Handschuhe. Eine kleine Tätowierung am linken Zeigefinder hatte Mercys Interesse geweckt. Es war eine kleine Ratte. Aufmunternd nickte sie der Frau zu. Augenblicklich war die Gestaltwandlerin verschwunden – sie gehörte zu den Ratten, die als Spione für die Leoparden arbeiteten. Die Nachricht von dem gescheiterten Anschlag würde in wenigen Sekunden das DarkRiver-Rudel erreicht haben.
Riley hockte sich wieder hin. „Eine Ratte?“, fragte er so leise, dass es niemand hörte.
Sie nickte. „Ein weiterer verrückter Medialer?“ Das Medialnet wurde immer instabiler, und mehr und mehr Risse zeigten sich bei den Medialen.
„Scheint so.“ Tiefe Falten erschienen auf seiner Stirn. „Wir müssten uns nicht nur auf Vermutungen verlassen, wenn wir eine Gelegenheit bekämen, ihn zu verhören, wenn er wiederhergestellt ist, aber das wird nicht der Fall sein – die Polizei wird ihn einsperren und zehn Minuten später wird der Rat ihn still und heimlich zur Rehabilitation abholen lassen.“
Mercy knirschte mit den Zähnen. „Bei solchen Gelegenheiten wünschte ich mir immer, ich hätte die Macht der Medialen.“ Denn nach umfassender Rehabilitation konnte der Mann von Glück sagen, wenn er sich noch alleine die Schuhe zubinden konnte.
Wie auf ein Stichwort heulten Polizeisirenen auf. Da der verhinderte Attentäter ein Medialer war, hatten weder die Leoparden noch andere Gestaltwandler irgendwelche Zugriffsrechte. Die Polizisten nahmen den Medialen in Gewahrsam, ließen Mercy und Riley aber unbehelligt, nachdem sie einen Blick auf die Waffe geworfen hatten.
Nicht alle Polizeitypen waren schlecht, dachte Mercy. Aber es war nun einmal eine Tatsache, dass so viele Spione des Rats die Polizei unterwandert hatten, dass die Organisation quasi ein Sieb war. „Sie wissen, wo Sie uns finden, wenn Sie noch mehr Informationen brauchen“, sagte sie zu dem grauhaarigen alten Polizisten, der ihre Aussage aufgenommen hatte.
„Wird wohl nicht nötig sein“, sagte er leichthin. „Habe gerade die Überwachungskameras überprüft – der Typ ist offensichtlich irre.“
„In gewissem Sinne.“
Der Beamte grinste. „Wie soll man das sonst nennen? In den letzten Tagen waren schon mehr Spinner unterwegs. In einem Restaurant in San Diego ist eine Bombe explodiert, und ein Typ ist mit seinem Lastwagen in ein Diner in L.A. gerast. Beide waren Mediale.“
„Gab es Verletzte?“
Er nickte. „Aber nichts Schwerwiegendes. Die Bombe hat nur die Mediale selbst getötet. Eine Kellnerin ist verletzt, kommt aber wieder auf die Beine. Das mit dem Lastwagen war sehr eigenartig. Die Räder blockierten – als hätte der Irre im letzten Moment auf die Bremse getreten –, und die Leute hatten genug Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Bevor jemand mit dem Kerl sprechen konnte, hatte er sich schon eine Kugel in den Kopf geschossen. Aber wenn das so weitergeht, werden wohl noch einige Leute dran glauben.“
Mercy nickte. Die älteren Mitglieder der Rudel wussten, dass einige Dinge im Medialnet in Bewegung gekommen waren, aber ihr war nicht klar gewesen, dass es schon so schlimm war. „Dann können wir also jetzt gehen?“
„Klar.“ Er wies mit dem Kopf auf die Jugendlichen, die hinter ihnen zusammengerückt waren. „Ihre Aussagen haben wir auch schon. Bringen Sie sie nach Hause?“
Die Vermutung lag nahe – Raubtiergestaltwandler herrschten, aber sie trugen auch Verantwortung. „Sicher.“ Die Kriminaltechniker saugten das Glas auf. Nicht alle Jugendlichen würden in Mercys Wagen
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