Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Fingerspitzen auf seinen Bauch, nur Zentimeter von seiner schmerzenden Schwellung entfernt.
„Nein.“ Er bog ihren Kopf zurück, ihre Kehle lag ungeschützt vor ihm … dann ließ er sie los.
Sie blieb in dieser Haltung, bot ihm die Kehle dar. Zeigte, wie sehr sie ihm vertraute, im Kampf zwischen Gestaltwandlern konnte ein Biss in die Halsschlagader das Leben kosten. Völlig entspannt legte er die Hand um ihren Nacken und bedeckte ihren Hals mit Küssen. Sie schmeckte nach –
Luft in seinen Händen. Die rothaarige Raubkatze stand ein paar Meter weiter weg und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
Er kniff die Augen zusammen. „Willst du mich ärgern?“
„Du weißt genau, dass es etwas anderes war.“
Er bleckte die Zähne. „Feigling.“
„Ich werde mir überlegen, ob ich dich noch einmal streichle, wenn du kurz vor dem Ausrasten bist.“
Das hast du ja gut hingekriegt, Riley. „Mir hat eben nicht gefallen, dass du dich verletzt hast.“
„Das hatten wir doch schon – mein Wohlergehen geht dich nichts an. Ich halte mich bloß zurück, weil ich weiß, dass du wirklich nicht anders kannst.“ Damit verschwand sie.
Riley streifte das T-Shirt über, sein Magen verkrampfte sich, aber er wollte nicht darüber nachdenken. Sie hatte recht – Raubtiergestaltwandler waren in der Regel beschützend. Aber Riley war nach dem Leitwolf die Nummer zwei im Rudel. Seine Selbstkontrolle war legendär. Er beschützte, wurde aber niemals zum Tier. Nicht so wie heute.
Ein Wolf in menschlicher Gestalt und allein auf Mercy fixiert.
Er wäre ihr gerne nachgeschlichen, aber das wäre genau das Falsche bei dieser Raubkatze gewesen. Gerade wollte er sich in Richtung Höhle verziehen, als er deutlich zwei unbekannte Männer in der Nähe witterte.
Der Wolf explodierte.
Riley war bei der Hütte, bevor er überhaupt wusste, was er tat – und sah Mercy am Fuß der Treppe, die zu der kleinen Veranda führte, mit zwei Fremden, die er sofort als Bedrohung registrierte. Das Knurren tief in seinem Hals richtete sich gegen sie. Seine Krallen fuhren aus.
13
Zur selben Zeit betraten die Ratsherren Henry Scott und Anthony Kyriakus den Beobachtungsraum neben dem Zimmer, in dem der verhinderte Attentäter lag.
„Hat er irgendetwas von sich gegeben?“, fragte Henry.
„Er murmelt ständig, er müsse etwas tun“, sagte der verantwortliche M-Mediale, „aber wir wissen nicht, was.“
Henry sah durch die Glasscheibe. „Der Gehirnscan müsste es uns verraten.“
Anthony wusste, dass Henry derjenige der Ratsmitglieder war, der den Makellosen Medialen am nächsten stand. Diese Gruppe wollte Silentium unbedingt erhalten. Anthony fragte sich, was sie wohl von den Gewalttätigkeiten hielten, die deutlich zeigten, was passierte, wenn die Konditionierung nachließ. „Wir sollten anfangen“, sagte er leise.
Als sie den Raum betraten, löste ein Krankenpfleger gerade einen Arm des Patienten aus seinen Fesseln. Anthony befahl ihm telepathisch, damit aufzuhören … aber es war schon zu spät. Der Patient zog im Bruchteil einer Sekunde mit der befreiten Hand einen Stift aus der Brusttasche des Pflegers und stach ihn sich ins Ohr.
Anthony nahm wahr, dass der M-Mediale zu dem Bett rannte, aber er selbst konzentrierte sich auf das Gehirn des Sterbenden, las darin, soviel er konnte, bevor der Schock jede Gehirntätigkeit stilllegte. Er hatte einen Zwang gespürt, irgendjemand außerhalb zog die Fäden. Der Mann war nichts anderes als eine Marionette gewesen.
Leicht zu beherrschen. Leicht zu zerstören.
Der Puppenspieler hatte sein Geschöpf offensichtlich darauf programmiert, nach der Tat oder falls man ihn erwischte, Selbstmord zu begehen. Einzig die Tatsache, dass man ihn auf frischer Tat ertappt und sofort unter mentale Kontrolle gestellt hatte, hatte ihn davon abgehalten, sich telepathisch umzubringen.
Gerade als Anthony diesen Gedanken zu Ende gesponnen hatte, fiel der Krankenpfleger zu Boden – zu spät hatte Anthony begriffen, dass der Mann unter demselben Zwang gestanden haben musste. Wer hatte die Möglichkeit und die Kraft, so viele Leute zu manipulieren? Die Antwort war nicht weiter schwer: Eine große Anzahl von Personen in den obersten Rängen des Rats.
Die interessantere Frage aber war: Warum?
14
Mercy wirbelte herum. Riley hatte bernsteinfarbene Augen und strahlte eine solche Kälte aus, dass sie wusste, dass er Blut sehen wollte. „Riley.“
Er sah sie nicht an. „Wer sind die beiden?“
Die beiden
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