Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
schienen im Kampf zu liegen – Sascha vermochte nicht mit Sicherheit zu sagen, worin diese Fähigkeiten bestanden, aber etwas wusste sie genau: Mediale dieser Kategorie waren äußerst instabil, bevor sie nicht die entsprechende Ausbildung abgeschlossen hatten. Vor Silentium waren viele von ihnen gestorben, da sich ihre Kräfte oft gegen sie selbst gewandt hatten. „Sienna“, sagte sie, um die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu lenken. „Sieh mich an.“ Sie sagte es in ihrem Befehlston, damit Sienna sie auch wirklich anschaute. „Konzentriere dich.“
Siennas Augen glichen dem Nachthimmel, der alle Sterne verschluckt hatte, und sie nickte wild. Eine Minute darauf entkrampften sich ihre Finger, und die Energie wurde schwächer. Beide Frauen seufzten vor Erleichterung. Eine einzelne Träne war Siennas Kontrolle entkommen. Saschas Herz zog sich zusammen, sie drückte die Jugendliche an sich. „Schsch, wir werden schon einen Ausweg finden.“
„Ich bin das Schreckgespenst im Keller, Sascha, der Albtraum, vor dem sich selbst Mediale verstecken.“ Sie hielt sich an Sascha fest, barg das Gesicht an ihrer Schulter.
„Nur kein Drama.“ Sascha war überrascht, wie viel Schmerz sich in diesem zarten Körper gesammelt hatte. Die Gefühle quälten Sienna so stark, dass sie kurz davor war zu zerspringen. Aber warum, wenn ihre Konditionierung doch abgeschlossen gewesen war, bevor sie das Medialnet verlassen hatte? „Du hast bemerkenswerte Fähigkeiten im Zweikampf. Und sie sind nicht nur auf die geistige Ebene beschränkt, oder doch?“
Sienna schüttelte den Kopf. „Nein, das sind sie nicht.“
Sie sagte ihr nicht die ganze Wahrheit, aber das war nicht der richtige Augenblick, um sie zu drängen. „Dein Onkel hat auch sehr starke Fähigkeiten – er hat gelernt, sie zu beherrschen. Und du wirst das auch schaffen.“ Offiziell war Judd Telepath, aber Sascha glaubte, dass sich dahinter noch andere, tödlichere Gaben verbargen. Er hatte zur Pfeilgarde gehört, Auftragskillern, die man erst zu Gesicht bekam, wenn es zu spät war.
„Ich bin nicht wie Onkel Judd“, sagte Sienna unbewegt. „Ich bin etwas viel Schlimmeres.“ Ihrer Stimme war keinerlei Schwäche anzuhören, keine unterdrückten Tränen, nur das endgültige Wissen um etwas, das niemand alleine tragen konnte. „Ich weiß es, und du weißt es ebenso. Ein falscher Schritt, und alles fliegt in die Luft, ich könnte die ganze Höhle sprengen.“
Sascha wusste, dass es nicht die Prahlerei eines Teenagers war. „Du bist keine kardinale Telepathin, nicht wahr?“ Genau wie bei Judd war das die Fähigkeit, die man ihr offiziell zuschrieb.
Erst erwiderte Sienna nichts darauf. Dann flüsterte sie: „Nein.“
Um Gottes willen. Sascha drückte das Mädchen noch fester an sich, sie konnte es einfach nicht fassen. Kardinalmediale mit fürchterlichen Fähigkeiten im Kampf waren mehr als todbringend. Sienna konnte die Höhle der Wölfe dem Erdboden gleichmachen, wenn sie die Kontrolle über sich verlor. „Du hast versucht, es in den Griff zu bekommen, nicht wahr?“
„Ich habe mein Innerstes verschlossen. Ganz fest.“ Sie stieß die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich dachte, ich könnte es aushalten, festhalten würde ausreichen. Aber das tut es nicht.“
„Warum?“, fragte Sascha. „Warum ist es denn so weit gekommen?“
Die Antwort brach Sascha das Herz.
„Hawke“, flüsterte Sienna kaum hörbar.“
„Mein Gott, Sienna.“ Sie strich dem Mädchen mit der Hand übers Haar, in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Ist es schlimmer geworden?“
Sienna nickte. „In dem Augenblick, als ich ihm begegnete, brach alles zusammen, meine Schilde, die Konditionierung, einfach alles! Aber ich brauche sie, brauche sie dringend. Judd hat mir gezeigt, wie ich die Schmerzen ausschalten könnte, aber ich habe es nicht – ich bin nicht wie er, ohne die Schmerzen kann ich nicht aufhören.“
Sascha schloss die Augen und versuchte Siennas Selbstvertrauen zu stärken. Aber sie schob ihre Worte nicht einfach beiseite. Silentium war aus einem bestimmten Grund entstanden. Mit der Zeit waren die ursprünglichen Ideen des Programms pervertiert worden, aber am Anfang war Silentium ein Segen gewesen – hatte Mediale wie Sienna gerettet, deren Gaben so stark waren, dass sie ihr Denken beeinflussten. Vielleicht konnte das Mädchen ohne Silentium gar nicht existieren.
Wenn das wirklich so war, würde diese Tatsache die Laurens und die
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