Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
eine?“
„Nur eine.“
„In Ordnung.“
Sie sah ihm in die Augen. „Braucht Sienna Hilfe?“
Toby biss sich auf die Lippe und nickte voller Mitgefühl. „Sie hat solche Angst, Sascha. In ihr scheint langsam etwas zu zerbrechen.“ Er ballte die Faust und beschrieb Kreise auf seiner Brust.
„Ach je.“ Sie kniete sich neben ihn, nahm ihn in den Arm und strich mit der Hand beruhigend über seinen Rücken. „Hast du versucht, ihr zu helfen?“
Sie spürte sein Nicken an ihrer Brust, kleine Arme drückten sie fest an sich. „Erst hatte sie einfach nur Angst, das war nicht so schlimm. Da konnte ich helfen. Aber nun ist alles zu. Die Regenbogen können nicht mehr hinein.“
„Das hast du gut gemacht, Toby.“ Er hatte Sienna bestimmt mehr geholfen, als er ahnte. Wenn das Mädchen tatsächlich auf der psychischen Ebene unter Hochdruck stand, konnte ein Bruder mit empathischen Fähigkeiten mit Sicherheit helfen, die Spannungen abzubauen. Aber nun ließ Sienna nicht einmal mehr ihren geliebten kleinen Bruder an sich heran. Sie steckte ganz sicher in ernsthaften Schwierigkeiten. „So, mein Kleiner, geh jetzt zurück in deine Klasse und mach dir keine Sorgen mehr.“
„Wirst du ihr helfen?“ Kardinalenaugen sahen sie ernst an.
„Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.“ Sie wollte ihn nicht belügen. „Aber Sienna ist stur. Sie wird sich wehren.“
Toby entspannte sich ein wenig. „Ja, sie ist ein richtiger Streithammel.“
Sascha lachte. „Das stimmt.“
Sie brachte Toby zurück in seine Klasse und machte sich auf den Weg zu Hawkes Büro. Um mit Sienna zu sprechen, brauchte sie Hawkes Einverständnis. Was an sich schon die erste Hürde war.
Stirnrunzelnd blieb sie stehen, weil sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Eigenartig. Sie wusste doch genau, wie man zu seinem Büro kam, stattdessen war sie auf den Weg zu den Wandmalereien am Eingang geraten. Es wäre nur logisch gewesen, sofort umzukehren, aber sie befand sich nicht mehr im Medialnet. Logik stand nicht mehr im Vordergrund ihres Handelns.
Stattdessen vertraute sie ihren Instinkten und wachsenden Fähigkeiten und ging weiter zu den wunderbaren Darstellungen von spielenden, ruhenden, ja selbst kämpfenden Wölfen. Sie war nicht besonders überrascht, als sie Sienna Lauren am anderen Ende des Ganges nahe am Ausgang entdeckte. Ihr Gesicht war leichenblass, eine Hand war so sehr verkrampft, dass Sascha schon beim Hinsehen Schmerzen verspürte. Die Finger der anderen strichen über etwas, das wie ein Riss in der Wand aussah.
„Sienna“, sagte Sascha leise, die Anspannung schwappte in Wellen zu ihr herüber. Zum ersten Mal erlebte sie Sienna kurz vor einem Zusammenbruch. Im Sommer war das Mädchen achtzehn geworden, aber bis auf die kleinen Kämpfe mit Hawke verhielt sie sich erwachsener, als es ihr Alter erwarten ließ – was noch erstaunlicher war, wenn sie wirklich die von Sascha vermuteten Fähigkeiten besaß. Ihre Ausbildung musste brutal gewesen sein. „Sienna“, sagte sie noch einmal und legte dem Mädchen die Hand auf die Schulter.
Sienna zuckte zurück. „Das wollte ich nicht.“ Oberflächlich betrachtet klang es ärgerlich. „Wirklich nicht, Sascha.“
Sascha stand Sienna nicht besonders nahe, aber inzwischen hatte sie begriffen, dass man als Empathin schnell das Vertrauen von anderen erlangte. Der großen Verantwortung, die damit verbunden war, würde sie sich stets verpflichtet fühlen … was auch immer geschah. „Schon in Ordnung“, versuchte sie, Sienna zu beruhigen.
„Nein, ist es nicht. Hawke wird ausrasten.“ Sienna klang nicht ängstlich, nur als wüsste sie, dass er etwas Böses getan hatte. Etwas sehr, sehr Böses.
Hawke? Sascha legte die Stirn in Falten und sah auf die Wand. Ein Riss und bröckelnde Farbe. „Warst du das?“, fragte sie ganz sanft, griff nach Siennas Händen und drehte die Handflächen nach oben – Farbspuren und Staub klebten daran.
„Ich wollte es nicht“, sagte Sienna noch einmal. „Ich wollte sie nur ansehen – sie sind doch so wichtig für Hawke. Ich …“ Ihre Stimme brach, ihr Atem stockte. „Meine Gefühle spielen völlig verrückt, Sascha. Und ohne Kontrolle kann ich nicht –“ Sie schrie auf und rang die Hände. Plötzlich stieg eine mächtige Energie auf. So stark, dass sich Saschas Nackenhaare aufrichteten.
Furcht drohte sie zu übermannen, aber sie hielt stand. Wenn sie in Panik verfiele, würde alles nur noch schlimmer werden. Siennas Fähigkeiten
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