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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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nach.
    »Kristof, dies ist, ich wiederhole mich nur ungern, aber es ist organisiertes Verbrechen.«
    Wieder dieser Begriff. Jedes Mal, wenn Scuzzi ihn aussprach, schien er ein Stück größer geworden zu sein.
    »Das ist durchorganisiert. Wenn also ein, nennen wir es ruhig mal >Casino<, wenn also ein Casino dichtgemacht wird und Leute wie Sascha stehen da plötzlich vor verschlossenen Türen, was machen die dann? Zucken die Achseln, fahren wieder nach Hause und geben das Zocken dran? Nein, die suchen die nächste Anlaufstelle auf. Das sind ganz normale Lokale, und alles, was man da bekommt, ist eine Adresse. Wenn man weiß, wie und wen man fragen muss. Da vorne rechts kannst du halten.«
    Ich stoppte vor einem Eiscafe. Einem ganz normalen Eiscafe. Eines, dessen Name mit einem >i< endet. Scuzzi stieg aus, bedeutete mir zu warten, verschwand durch die Glastüre, dann aus meinem Blickfeld und tauchte erst geschlagene zwanzig Minuten später wieder auf. Wortlos ließ er sich hinter mir in den Sitz fallen, feuchtete seinen Daumen an und zählte routiniert ein paar Scheine durch.
    »Und?«, fragte ich, genervt vom Warten und noch genervter von seiner selbstvergessenen Beschäftigung.
    »Tja«, war die ganze, meine Beherrschung austestende Antwort. Fertig mit Zählen, verstaute er das Geld und reichte mir einen kleinen Zettel nach vorn. Irgendjemand hatte es geschafft, in einer einzigen Adresse 17 Rechtschreibfehler unterzubringen. >Gelsenakrika< sei hier nur ein Beispiel.
    »Hast du das geschrieben?«, fragte ich und bekam ein Grunzen zu hören.
    Gelsenakrika, dachte ich. War ich da nicht vorhin erst gewesen? Und mit welchem Ergebnis? Ich drehte den Zündschlüssel, und die gelbe Leuchte der Tankanzeige strahlte mich an. Zu dem ganzen Zeitaufwand begannen sich die Kosten zu addieren. Diese Mühle hier soff, es gab kein anderes Wort dafür. Und ich war müd, alle. Zwanzigtausend, spornte ich mich an, doch ajeh, es fehlte der rechte Glaube.
    »Und da ist unser Sascha hin?«, fragte ich, ohne Überzeugung, und tappte auf den Zettel.
    Scuzzi leckte einen Dreiblatt längs.
    »Könnte«, meinte er vage. »Borislav wollte sich nicht dazu äußern, ob und wann Sascha oder irgendjemand sonst nach der Adresse gefragt hätte, er sagte nur, dies sei der >neue< Grieche, und wer zum alten gewollt hatte, würde da hingeschickt. Also, tritt drauf.«
    Also trat ich drauf.
    »>Borislav<«, fragte ich nach einer kleinen Weile, in der Scuz-zi mir mit Rauchwolken die Sicht zu nehmen versuchte, »in einem Eiscafe?«
    »Das Eis macht Renato«, kam es vom Rücksitz.
    Wagenrath, Dr. j ur. Wagenrath, der beste Strafverteidiger der Stadt, war im Urlaub, teilte mir Frau Blomke, seine Sekretärin, mit geheucheltem Bedauern mit. Dr. Haubrücher vertrete ihn derweil. Ob sie mich zu ihm durchstellen solle, fragte sie mit geheuchelter Besorgnis und im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass ich mir Promi-Anwalt Haubrücher in meinem ganzen verdammten Leben niemals würde leisten können und auch Wagenrath nur deshalb, weil wir schon mal miteinander kungeln.
    Na gut, dachte ich und legte auf, Veronika hat dich hier reingeritten, soll sie dich auch wieder rausreiten.
    Gnädig ließen sie mich eine weitere Nummer wählen. Als Loftheide dranging, hatte ich eine dieser Vorahnungen. Und richtig: Frau van Laar sei aus, erfuhr ich spitz. Wohin, erfuhr ich nicht. Ich könne es ja mal über Handy versuchen.
    Gnädig ließen sie es mich über Handy versuchen, woraufhin ich in zwei Sprachen freundlich darüber belehrt wurde, dass die jederzeitige und allerortige Erreichbarkeit nichts als eine drollig gemeinte Erfindung der Werbeindustrie ist.
    Nach einer unmissverständlichen Warnung, ihre Gnädigkeit nicht zu überstrapazieren, ließen sie mich noch eine Zahlenfolge eintippen.
    »Kristof! Dich such ich«, keuchte mir mein Freund Charly ins Ohr, kaum dass ich mich gemeldet hatte.
    »Hör zu, ich rufe aus der Von-Bock-Straße an«, teilte ich ihm hastig mit, bevor er möglicherweise irgendetwas von sich gab, das wir beide anschließend bereuen könnten.
    »Wieso das?«, fragte er und klang einigermaßen verblüfft dabei. »Was um alles in der Welt hast du denn noch angestellt?«
    »Wieso >nochangestellt    »Hör zu«, sagte ich und teilte ihm dann kurz und knapp mit, wessen ich fälschlich beschuldigt wurde, und

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