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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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durch blinde Scheiben in das leblose Innere.
    »Vor ein paar Wochen war hier noch was los«, sagte Scuzzi. Ich wollte ihn gerade in zuckersüßem Tonfall wissen lassen, was für ein Trost, ja, was für eine Bereicherung meines Lebens diese seine Bemerkung darstellte, als ein Auto von der Landstraße abbog und sich langsam, beinahe zögerlich über den knirschenden Schotter näherte. Durch die Scheinwerfer geblendet, konnte ich nur die vagen Umrisse erkennen, und doch war ich mir irgendwie sicher, dass das nur ein bestimmter Wagen sein konnte, mit einem ganz bestimmten Insassen, und so lief ich freudig erregt darauf zu.
    Und den Bullen in die Arme.
    Zu dritt, in Zivil, mit einem, wie ich jetzt sah, Ford Scorpio. Drei Türen flogen auf, und da standen sie, wie drei von derselben Stange. Die gleichen Lederblousons, die gleichen dunklen Jeans, die gleichen robusten Schuhe, die gleichen ordentlichen Haarschnitte, die gleichen bittenden Mienen.
    Bitte, sagten die Mienen, bitte tut uns den Gefallen und werdet frech. Bitte seid so nett, und gebt uns einen Grund - irgendeinen -, euch hier und jetzt zusammenzudreschen, dann in Handschellen aufs Revier zu schleifen und mit >Widerstand< zu beschuldigen. Bitte, bitte. Wir brauchen das, ab und zu.
    »Einen wunderschönen guten Abend«, wünschte Scuzzi mit bestrickender Freundlichkeit und stellte sich links neben mich. Mir schoss durch den Kopf, was und wie viel davon er wohl in den diversen Taschen seiner Schimanski-Jacke mit sich herumtrug und mit welchen Worten ich erst den Beamten und später dem Richter klarmachen sollte, dass man trotz einer entspre
    chenden Vorstrafe ein unbeteiligter, ahnungsloser, unschuldiger Mensch sein kann. Unschuldig wie ein Lamm.
    »Was habt ihr beiden hier zu suchen?«, fragte der Fahrer mit einiger Schärfe. Er blieb hinter seiner Türe stehen, während die beiden anderen sich vom Wagen lösten und Schritt für Schritt näher herankamen. Wir standen mitten im Scheinwerferlicht, und ich hatte das unschöne Gefühl, dass meine Nase glänzte.
    »Also?«, bellte der Fahrer, noch bevor Zeit gewesen wäre zu antworten.
    »Äh, essen«, brabbelte ich. »Wir wollten hier einen Happen essen. Aber es ist zu, wie es aussieht.« Und ich zog eine Miene, die Ahnungslosigkeit mit Unschuld und, in Ermangelung eines Substantivs für >unbeteiligt<, Ehrlichkeit zu vereinen suchte.
    Der Beifahrer stand jetzt auf Armlänge rechts von mir, und der, der hinten gesessen hatte, im gleichen Abstand links von Scuzzi. Keiner von beiden hatte bis jetzt etwas gesagt. Sie starrten nur, vielsagend.
    »Ihr wollt uns weismachen«, schnarrte der Fahrer, »ihr seid extra von Mülheim hierher gekommen, nur um bei diesem schmierigen Griechen was zu fressen?«
    »Na«, antwortete Scuzzi und senkte die Rechte in seine Seitentasche, was alle drei Bullen nach etwas greifen machte, bevor er sie wieder herausholte und unter Knacken den Verschluss von einem Cognacfläschchen schraubte, »einen Kleinen schnasseln wollten wir schon auch noch.« Setzte das Fläschchen an den Hals und ließ es gluckern.
    Es entstand eine unentschlossene Pause. Bis jetzt waren wir weder frech geworden, noch hatten wir zu fliehen versucht, also von uns aus kein Signal zum Zuschlagen gegeben. Das fanden sie alle drei voll Scheiße. Irgendeinen Vorwand schienen sie zu brauchen.
    »Ihr Fahrzeug?«, fragte der rechts von mir und deutete auf den Crown. Also erst mal weiter mit Routine, hieß das. Alles andere würde sich schon finden. Und das wären dann die eingeschlagenen Seitenfenster und die Tatsache, dass die Karre nicht auf meinen Namen zugelassen war. Als Nächstes würde es >Taschen leeren< heißen und dann . Meine Nase glänzte jetzt, ich war mir sicher.
    »Aber ja, selbstverständlich, klar doch«, antwortete ich beflissen, ganz kooperationsbereiter Mitbürger, »und die Papiere müssten hier drin sein«, und ich deutete auf die Herzgegend meiner Lederjacke. »Wenn Sie sie sehen möchten .«
    Er nickte knapp und ließ mich nicht aus den Augen.
    »Und Sie, haben Sie auch Ihren Personalausweis dabei?«, fragte der links von uns.
    »Oje«, machte Scuzzi und begann, mit großer Geste seine zahllosen Taschen abzuklopfen. Manche klirrten, andere raschelten, manche knisterten. Jetzt glänzte auch meine Stirn. Für meinen Freund ist der Umgang mit Drogen mittlerweile etwas so Alltägliches, dass er sich schon mal vergisst. Letztes Mal, als wir zusammen einkaufen waren, hatte ich zu wenig Geld dabeigehabt und ihn um

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