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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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von unten. Ansonsten war sie barfuß bis zum Scheitel.
    Hinter der Front meiner Jeans begann sich etwas zu regen wie ein Maulwurf unterm Rasen.
    Es blieb nicht unbemerkt.
    »Ich nehme trotzdem an, dass es Charly ist, den du sehen wolltest?«, fragte sie, und ihr Grienen ließ die HB wandern, bis sie mit dem Ohr hätte weiterrauchen können.
    »Nun jaa .«, begann ich, da kam ihr Macker auch schon die Treppe heruntergepoltert, flankte über das Geländer und - war da. Wo Charly ist, wird die Luft dünn für andere. Zu Konkurrenzdenken neigende Naturen provoziert das. Was ihn meist recht heiter stimmt.
    »Nun ja«, sagte ich.
    »Bisschen gefeiert gestern«, sagte er entschuldigend, blitzte mich mit den Augen an und fuhr sich durchs Haar - beides in den von der nach wie vor vom arischen Rassendenken besessenen Nivea-Werbung bevorzugten Farben, »die Else und ich.« Mit einem wohligen Seufzer streckte er die Hand aus, und die Else glitt an seine Seite und in seinen Arm wie eine in warmem Öl gebadete Schlange. »Aber komm doch rein«, meinte er. »Ich mach uns Kaffee.« Marion verzog sich ins Bad und wir uns in die Küche. »Wir müssen sprechen«, sagte Charly und räumte leere Flaschen und volle Ascher vom Tisch. Er wirkte ernst, aber gelassen und ausgeruht, und nur eine Kette von Knutschflecken, die an seinem Hals begann, sich über die nackte, breite Brust und das ausgeprägte Sixpack seiner Bauchmuskeln abwärts fortsetzte und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht am Bund seiner schlabberigen Trainingshose aufhörte, ließ ahnen, dass er sich letzte Nacht möglicherweise mit noch etwas anderem beschäftigt hatte, als tiefer und fester zu schlafen als andere Männer.
    »Zieh dir 'n Hemd an«, sagte ich.
    »Wie viel?!« Ich wischte mir Kaffee vom Kinn und tupfte mit dem Ärmel an der Brust meines Batik-T-Shirts herum. Zwecklos, die Flecken waren einmal drin. »Sag das noch mal«, verlangte ich, immer noch hustend. Und er sagte es noch mal, und es war haargenau die gleiche Summe, ich hatte mich nicht verhört.
    »Für einen umgeschmissenen Tisch und 'ne Macke an der Stirn? Ja, tickt der noch sauber?«
    »Für entgangene Spielgewinne. >Elvis< behauptet, mit genau dieser Summe im Plus gewesen zu sein, was sich nach deiner Aktion natürlich nicht mehr beweisen ließ, so dass alles Geld, was auf dem Tisch gelegen hatte, an die Bank, das heißt in dem Fall den Gastgeber gegangen ist. Machte sie alle ziemlich bitter, doch zu deinem Glück verfügen nur der Gastgeber und >Elvis< über die nötigen Kontakte, um dich haftbar zu machen, und nur einer von beiden über ein Interesse.«
    Die Tatsache, dass es hätte schlimmer kommen können, ist nicht unbedingt immer ein Trost.
    »Und du hast den Job übernommen«, stellte ich nicht ohne Vorwurf fest.
    »Aber klar doch. Ich kriege zehn Prozent. Hey, Mann, da konnte ich nicht widerstehen. Wann bringst du den Schotter?«
    Zwanzigtausend, dachte ich. Dieser Tage scheinen wir alle von zwanzigtausend zu träumen, die keiner von uns je sehen wird.
    »Sag mal die Details.« Es gibt immer Details, bei so einem Auftrag. Von sanftem, aber hartnäckigem Druck bis zu nackter Gewalt, von der Möglichkeit, ein Abstottern auf Raten auszuhandeln bis zum Pochen auf Auszahlung der vollen Summe und schließlich ein verhandelbares oder aber fixes Zahlungsziel. Es ist eigentlich ganz genauso, wie einer Bank Geld zu schulden, nur dass die Zinsen für gewöhnlich höher und die Umgangsformen, wenn möglich, noch rauer sind.
    »Volle Summe binnen fünf Tagen, maximaler Druck«, antwortete Charly.
    Maximaler Druck, oje. Ich hätte es mir denken können. Nur für maximalen Druck gibt es bei solchen Summen zehn Prozent.
    Leute wie Charly riskieren ja schließlich keine erbitterte Gegenwehr oder aber eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung in ansteigenden Schweregraden für Nüsse.
    »Binnen fünf Tagen?«, echote ich. »Wie um alles in der Welt soll ich in so kurzer Zeit eine solche Summe auftreiben?«
    Charly schnaubte ein kurzes, trockenes Lachen in seine Kaffeetasse. Diese Frage stellen sie nämlich alle, erst mal.
    Das ärgerte mich, das ärgerte mich so, dass ich mich zu »Weißt du was? Bestell diesem König schöne Grüße, er kann mich mal am Arsch lecken« hinreißen ließ. »Ich hab nix, und es gibt nix. Punkt, aus.« Dann ärgerte ich mich noch mehr. Genau das sagen sie nämlich auch immer alle, als Nächstes.
    Folgerichtig schnaubte Charly

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