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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Urlaub, in Italien. Gleichzeitig kann ich aber auch nicht verduften. Schließlich habe ich mich jeden Tag einmal an der Von-Bock-Straße zu melden. Also muss ich deinen Elvis irgendwie anders beschäftigen. Richtig?« Charly nickte, biss in eine Marmeladenstulle und sah mich abwartend an.
    Ich ließ die mächtige Winde surren, ließ sie Meter um Meter des Zugseils auf die Trommel wickeln, hörte den Förderkorb auf seinem Weg nach oben gegen die Führungsschienen klackern, drückte die Kippe aus und begann einen Satz, der sich, parallel zum Auftauchen des Korbes im Tageslicht, dem ruckartigen Anhalten und dem Öffnen der Drahtgittertüren formierte, zeitgleich also mit der Ankunft der Idee, ohne Gelegenheit, vor dem Aussprechen auch nur einmal kurz geprüft zu werden, und der trotzdem anschließend nicht mehr zurückgenommen oder korrigiert werden sollte.
    Ich sagte: »Ich werde hingehen, ein Motiv konstruieren, ein paar Beweise zurechtbiegen und dann Siegfried König den Mord an Sascha Sentz ganz offiziell in die Schuhe schieben.«
    Und Charly würgte einen Bissen hinunter, blickte kurz und mit zu einem Haufen zusammengeschobenen Brauen vor sich auf den Tisch, sah dann wieder hoch zu mir und nickte noch mal.
    Ja! Ein Motiv würde sich finden, Gerüchte würden sich streuen, Indizien würden sich platzieren lassen. Alltag unter nur leicht geänderten Voraussetzungen für einen Detektiv.
    Ich schob >Mucky Pup< in den Recorder und drehte auf. Kraft! Ich brauchte Kraft!
    Dann musste ein bisschen was Handfestes her. Für die Spurensicherung. Vielleicht sollte ich es so drehen, dass sie ihn überhaupt erst mal wegen irgendetwas anderem festnahmen und dann erst den Mordverdacht auf ihn lenken? Auf die Art könnte ich auch noch die Bullen die meiste Arbeit machen lassen. Ja!
    Doch zuallererst brauchte ich Informationen. Je mehr, je besser.
    Und deshalb war ich jetzt unterwegs zu - Ursel Sentz. Urgs.
    Ich drehte am Knopf, doch es ging nicht mehr lauter. Schade. Ich hätte es brauchen können.
    Sie gönnte mir kaum einen Blick durch ihre dunkle Kenne-dy/Onassis-Brille, als die Putzfrau mich in das Wohnzimmerbüro geleitete und mit einem Hüsteln ankündigte. Glas klirrte, Eis klimperte, Flüssiges gluckerte, ein Sodaspender fauchte äußerst kurz und knapp, während Ursel Sentz, in einen samtig glänzenden Hosenanzug von ernstem Tiefdunkelgrau gewandet, sich an ihrem Getränkerollwagen zu schaffen machte.
    »Wenn Sie sich in dem Glauben herbemüht haben, mir auch nur eine müde Mark aus dem Kreuz leiern zu können, haben Sie sich geschnitten!« Ohne Vorwarnung fuhr sie zu mir herum, wobei sie das hohe Glas in ihrer Hand in eine perfekte Schräglage brachte, so dass kein Tropfen des wasserklaren, eiswürfelgekühlten Drinks Gefahr lief, ein Loch in einen der sicherlich wertvollen Teppiche zu ätzen. »Sie können von Glück sagen, wenn ich meinen Vorschuss nicht zurückverlange!« Sie nahm einen energischen Schluck, was mir Zeit für einen kleinen, erleichterten Seufzer ließ. Ich hatte so halb und halb befürchtet, hier eine in Tränen aufgelöste, haltlos schniefende Witwe auf dem Knie schaukeln zu müssen. Das war wohl unnötig gewesen.
    »Hören Sie«, begann ich lahm, »was passiert ist, tut mir ehrlich Leid.«
    Und der Vorschuss, der war, tja, schon fast völlig verdunstet, wie mir zu meiner eigenen Irritation aufging. Der Crown soff wie ... wie ... wie - Sie setzte das Glas mit einem Ruck ab, und ihre undurchdringlichen, blanken Brillengläser funkelten mich undurchdringlich an. »Mir aber nicht!«, blaffte sie. »Ich bin einfach nur wütend, unglaublich wütend. Und zwar, dass Sie es gleich wissen: auf Sie!« Und zack, Kopf in den Nacken. Falls sie Trost im Alkohol suchte, dann direkt, ohne große Umschweife.
    >Du hast doch auch für die Sentz gearbeitet<, hatte ich Charly gefragt, nicht ohne Mühe ob des doppelten Zischlauts. >Wie, was schätzt du, war das Verhältnis der beiden zueinander?< >Schwierig<, hatte Charly geantwortet.
    »Frau Sentz, alles, was ich jetzt noch tun kann, ist, den Mörder Ihres Mannes zu finden.«
    >Beide mit Problemen<, war er fortgefahren. >Sie mit Alk, Tabletten, Kaufzwang; er mit Alk, Pulver und Glücksspiel.<
    »Ach!« Sie vollführte, mit dem Glas in der Hand, eine ärgerliche, kreisförmige Bewegung oberhalb ihres Kopfes. Wieder, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Hirngespinste!« Aber es war auch höchstens noch halb voll, das Glas.
    »Darum kümmert sich doch schon die

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