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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Polizei!«
    Ich schnalzte mit der Zunge. »Da bin ich mir nicht sicher. Meiner Ansicht nach versuchen die in erster Linie, es mir anzuhängen.« Und du versuchst, es Elvis anzuhängen, dachte ich. Und am Ende wandern wir beide in den Bau, und der wahre Mörder kriegt sich nicht mehr ein vor Lachen.
    >Du wirst lachen<, hatte Charly gesagt, >aber das Geld geht bei denen schneller wieder raus, als es reinkommt. Und das gibt häufig Zoff, glaub mir.<
    »Frau Sentz, ich habe den Eindruck, dass Sie bei unserem ersten Gespräch das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Mann etwas zu rosig dargestellt haben. Kann das sein?«
    Sie stellte das Glas ab, leer bis auf die Eiswürfel, setzte sich leicht auf die Kante ihres Schreibtischs, sah zur Seite und schien zu reflektieren, was sie sich als Nächstes einschütten sollte.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich mit jedem, der des Weges kommt, in aller Länge und Breite meine privaten Probleme durchhechle?«
    »Nun«, gab ich zurück, »wo Sie mir schon eines vorführen, könnten Sie mich auch genauso gut in den Rest einweihen.«
    Sie sah ihr Glas an, als prüfe sie gedanklich seine Tauglichkeit zum Wurfgeschoss, und ich versetzte schon mal meine Reflexe in Alarmbereitschaft.
    »Ich bin eine erwachsene Frau in der Krise, und ich kann so viel trinken, wie ich will«, sagte sie düster, griff anstatt nach dem Glas zu einem kleinen Pillenspender, ähnlich so einem für Diätsüße, klickerte zwei, drei Tabletten in die offene Handfläche, warf sie sich routiniert in den Hals und schluckte sie trocken.
    »Man hat mir gestern meinen Mann umgebracht und .« Sie brach ab und schluckte abermals trocken, nur diesmal ohne Pillen. »Nein«, rief sie dann und klatschte mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Nein, nein, nein! Ich werde nicht anfangen zu flennen, seien Sie unbesorgt! Und wollen Sie wissen, warum? Weil ich mir meine Trauer für später aufhebe. Erst mal möchte ich . Vergeltung. Ja, ich glaube, das ist das Wort. Ich will den Mörder meines Mannes hinter Gittern wissen. Oder tot, von mir aus.« Mit sichtlichem Widerwillen nahm sie ihre Brille ab und tupfte hastig an ihren Augen herum, bevor sie sie wieder aufsetzte.
    Ich sagte nichts.
    »Zuerst hatte ich Sie in Verdacht.« Sie schnaubte »Dieser Hufschmidt tat so, als seien Sie schon so gut wie überführt. Doch dann hatte ich ein kurzes Telefongespräch mit Dr. Möller - extrem unhöflicher Mensch, nebenbei -, und der hat gesagt, Sie könnten es unmöglich gewesen sein.« Einen Moment lang starrte sie meine Hand an und stieß dann Luft durch die Nase, alles andere als überzeugt.
    »Andererseits war es Ihre Wohnung«, fuhr sie fort, »in der das Ganze passiert ist, direkt unter Ihrer Nase, und wenn ich im Augenblick tatsächlich erwäge, Sie trotzdem noch einmal zu engagieren, so liegt das schlicht und ergreifend daran, dass ich sonst niemanden weiß. Außerdem«, fügte sie hinzu, »haben Sie Sascha ja zuerst einmal tatsächlich gefunden, also können Sie nicht völlig unfähig sein.«
    Sag jetzt nichts, dachte ich.
    »Wie wär's, wenn Sie auch mal den Mund aufmachten«, forderte sie gereizt.
    Ich sagte: »Vierhundert pro Tag plus Spesen.«
    Sie schenkte mir einen spiegelblanken, dunklen Blick und schwieg. Die Uhren tickten, wir beide saßen da, und ich fragte mich, ob es moralisch vertretbar sei, sich für etwas bezahlen zu lassen, das man überhaupt nicht vorhat zu tun, zumindest vorerst nicht. Siegfried König geschmeidig aus dem Weg zu räumen hatte für mich absolute Priorität. Anschließend konnte man immer noch schauen, wer es denn nun wirklich gewesen war. Ein, wenn ich nur eine Sekunde darüber nachdachte, obendrein ethisch problematisches Vorhaben. Doch ich habe meine eigene Technik, wenn ich in Konflikt mit der ungeschriebenen Sittenlehre gerate, und die heißt: Scheiß drauf.
    »Worüber ich nachdenke«, sagte Ursel Sentz, »ist, wie ich Sie zwingen kann, für dieses Geld auch wirklich etwas zu tun.«
    Hoppla.
    Fast hätte ich mit >Nuuun ...< begonnen, doch riss ich mich gerade noch rechtzeitig zusammen. Manche Antworten müssen in einem Guss daherkommen.
    »Frau Sentz«, begann ich, was nichts anderes ist als ein personalisiertes >Nuuun .<, aber ganz anders wirkt, »es sollte doch wohl außer Frage stehen, dass ich schon aus Gründen der Reputation selber ein mehr als vitales Interesse daran habe, dass der Täter möglichst rasch gefasst und verurteilt wird.« Tiefe, ernste Stimme, feierlicher Blick, damit hatte

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