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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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ein Windhund auf den falschen Hasen. Wie ein Boxer auf den Gong. Wie Kryszinski auf >Komm mit Kleiner, du frierst!<.
    Zehn Minuten allein in Ursels Büro, mehr bräuchte es nicht. Doch immer schön eins nach dem anderen.
    Der Baldeneysee ist eines aus einer ganzen Kette voll gelaufener Stauwehre, mit denen sie die Ruhr reguliert haben, bis sie sie bei Bedarf rückwärts fließen lassen könnten.
    Was dem Flussliebhaber ein Gräuel, dient dem Wassersportler zur Erbauung. An sonnigen Sommerwochenenden sieht man hier den Teich vor lauter Booten nicht.
    Heute allerdings, bei gerade mal einstelligen Temperaturwerten und Nieselregen, konnte es Schaumkronen blasen, die steingraue Wasserfläche blieb leer, und das den See ringförmig umgebende Asphaltband fast. Es gibt hier eine Art Symbiose zwischen Trendsportartikel vorführenden Selbstdarstellern und in großen Mengen anreisenden Provinzdumpfbacken, die das kostspielig kostümierte Posieren auf für teuer Geld angeschafften Rollschuhen oder Fahrrädern für einen begaffenswerten urbanen Lebensstil halten, und die funktioniert nur bei gutem Wetter.
    Was blieb, waren ein paar missmutige Hundehalter und eine Hand voll Angler, die wie zumeist damit beschäftigt waren, keuchend ihren Krempel hin- und herzuschleppen.
    Plus ein fröstelnder Privatdetektiv, der mit hochgeschlagenem Jackenkragen einherstratzt und zusätzlich zu seinen Rachegelüsten auch noch eine Scheißlaune entwickelt, weil ihm mit jedem Schritt klarer wird, dass er am falschen Ende des Sees geparkt hat.
    Wie viele Menschen, die häufig allein sind, neigt er zu Selbstgesprächen.
    »Ein Drittel Diesel, zwei Drittel Super, dazu ein rundes Pfund Haferflocken«, murmelt er vor sich hin. »Das Ganze auf eine möglichst dünnwandige Flasche gefüllt, die oben mit einem Stofffetzen verstopft wird«, sagt er, und die Worte scheinen ihm Trost und Wärme zu spenden, denn als er kurz stehen bleibt, um sich mit fauchendem Feuerzeug eine Zigarette anzuzünden, lächelt er plötzlich dünn und fröstelt nicht mehr gar so sehr.
    Ich musste fast die gesamte Länge des blöden Stausees ablatschen, bis ich das verfluchte Boot endlich fand. Die >Princess Stephanie<, unter allen denkbaren Namen unter der Sonne.
    Ich merkte mir das Vereinsgebäude am Ufer, ich merkte mir die Nummer des Steges, und ich merkte mir, die wievielte aus einer Reihe von zwölf Segelyachten sie war, die Stephanie. Die neunte. So was ist wichtig, wenn man in stockdunkler Nacht wiederzukommen gedenkt. Eigentlich hätte ich kehrtmachen können, doch ich war ganz allein, und ein paar Schritte näher ranzugehen konnte ja nicht schaden.
    Um es gleich zu sagen: Ich verstehe nicht nur nichts von Pferden, ich habe auch keinen blassen Schimmer von Booten. Bei Motorrädern, da ist es etwas anderes. Ich kann sehr wahrscheinlich an die dreihundert verschiedene Typen bestimmen, hinunter bis zu so abstrusen Bezeichnungen wie Yamaha RD 350 LC YPVS (nicht zu verwechseln mit der einfachen LC, die ohne YPVS daherkam, und auch nicht mit dem luftgekühlten Vorgängermodell, der schlichten RD), doch Boote? Nada.
    Und trotzdem: Wenn ich einen Kahn sehe, mindestens dreimal so lang wie mein Crown, mit einem messerförmigen Rumpf, einem Mast, der die Wolken am Bauch kitzelt, mit Radarantenne und Beiboot und polierter Edelstahlreling und blank geschrubb
    tem Teakholzdeck, dann brauche ich keinen besonderen nautischen Sachverstand, um zu erkennen, dass die Schüssel eine ordentliche Stange Geld gekostet hat.
    Manchmal reagiert das Auge wie von alleine irritiert, bleibt wieder und wieder an der gleichen Stelle hängen, und der über Nervenbahnen angeschlossene graue Klumpen dicht dahinter braucht ein paar Anläufe, um es mitzubekommen, und noch etwas länger, um die Wahrnehmung in einen logischen Denkvorgang umzusetzen.
    Wenn der Rumpf eines Schiffes einen gleichmäßigen, oben in scharfer Linie abgegrenzten moosigen Belag aufweist, kann man wohl davon ausgehen, dass es a) längere Zeit nicht aus dem Wasser gekommen ist und b) einen Großteil dieser Zeit in einem Hafen liegend zugebracht hat.
    Toll, ich weiß. Ja, ich habe diesen Beruf nicht umsonst ergriffen. Es kam zwangsläufig: Talent, das sich Bahn bricht.
    Doch langsam: Wenn eben diese Linie sich jetzt, zurzeit, mehr als eine Handbreit unter der Wasseroberfläche befindet, dann sagt das dem talentierten Beobachter, dass das Schiff um einiges schwerer ist als gewöhnlich. Man darf also an Bord eine Last vermuten. Wie über alle

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