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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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zu sein, Lara.« Mark drückte das Telefon fester ans Ohr und betrachtete das Foto auf seinem Schreibtisch. Seine Frau schaute ernst, Franz ein bisschen mürrisch  – wie es Teenager beim Posieren für ein Familienfoto eben so machten  –, nur Joanna lachte breit. »Vielleicht hast du Glück und es antwortet dir jemand.« Er lauschte kurz und setzte dann hinzu: »Du darfst nicht so ungeduldig sein. Nicht alle Leute schauen täglich in ihre Mails oder chatten im Netz. Gib ihnen ein paar Tage Zeit. Hat Schädlich dir denn letztes Wochenende noch Neuigkeiten berichten können?«
    Während Lara ihm erzählte, dass man laut Aussagen des Kriminalobermeisters auf der Leiche Erbrochenes vom Täter gefunden habe und sie nicht wisse, ob sie Schädlichs Angabe, die DNA-Analyse der Spuren läge noch immer nicht vor, Glauben schenken konnte, versuchte Mark, möglichst geräuschlos seine Aktentasche einzuräumen. Es war schon kurz nach halb sechs. Eigentlich hätte er seit zehn Minuten im Auto sitzen sollen. Es war Mittwoch. Mittwoch gehörte der Familie. Heute hatte Anna sich etwas wünschen dürfen, und es war das Kim-Chu in der Leibnizstraße geworden. Mark mochte koreanisches Essen nicht so, genauso wenig wie die Fast-Food-Tempel, die Franz immer aussuchte, fügte sich aber in das gemeinsame Ritual.
    Schwester Annemarie streckte den Kopf zur Tür herein und deutete auf ihre Armbanduhr. Er nickte ihr zu, dass sie gehen könne. Nachdem Lara versprochen hatte, ihn spätestens am Freitag von ihren Fortschritten in Sachen »zweite Plattenbauleiche« zu informieren, legte Mark auf. Eigentlich hatte er sich in Vorbereitung der morgigen Sitzung mit Maria Sandmann noch die Aufzeichnung von Montag ansehen wollen, aber das konnte er
auch morgen früh noch erledigen. Er ließ die Finger über den dünnen Leinenstoff des Jacketts gleiten und warf es sich dann über die Schulter. Draußen waren noch mindestens fünfundzwanzig, sechsundzwanzig Grad. Er würde keine Jacke brauchen. Mitten im Raum stehend, checkte er das Sprechzimmer und prüfte, ob alle Geräte abgeschaltet waren. In dem Augenblick, als er den ersten Schritt in Richtung Wartezimmer machte, summte die Türklingel. Marks Nackenmuskeln spannten sich an.
    Auf dem Schreibtisch blinkte fordernd das rote Lämpchen. Er zögerte einen Augenblick lang, drückte dann den Zeigefinger auf den Knopf der Wechselsprechanlage und neigte den Kopf über das Mikrofon. »Ja bitte?«
    »Doktor Grünthal?« Eine völlig aufgelöste Frauenstimme. Viel zu hoch, hysterisch. Erst nach den nächsten Sätzen erkannte Mark die Person.
    »Kann ich mit Ihnen sprechen? Ich brauche Ihre Hilfe!«
    »Kommen Sie rauf.« Mark betätigte den Türöffner und ging dann ins Wartezimmer, um auf die Patientin zu warten. Hastiges Klappern von Absätzen verriet ihm, dass sie es eilig hatte. Dann klopfte es, und die Eingangstür schwang auf.
    »Entschuldigen Sie bitte. Ich weiß, die Praxis hat schon geschlossen, und ich habe auch erst morgen einen Termin, aber Sie hatten gesagt, ich … ich könnte Sie jederzeit anrufen … aber das kann ich nicht am Telefon…« Sie schüttelte sich kurz und sah sich im Sprechzimmer um. Dann sprach sie mit fester Stimme weiter. »Ich glaube, wir haben ein Problem.«
    Sie kam auf ihn zu, und Mark streckte die rechte Hand aus. »Guten Tag, Frau Sandmann. Kommen Sie herein. Wir kümmern uns darum. Gehen Sie doch bitte schon ins Sprechzimmer und nehmen Sie Platz. Ich komme sofort.« Er ging, um die Eingangstür zu schließen, die Maria Sandmann in ihrer Eile offen gelassen hatte. Dann folgte er der Frau ins Sprechzimmer. Sie
hatte bereits auf dem Sessel Platz genommen, auf dem sie immer saß. Mit versteinertem Gesicht schaute sie geradeaus.
    »Einen kleinen Moment noch.« Mark durchsuchte seine Aktentasche nach dem Handy. »Ich bin gleich für Sie da.« Er tippte eine SMS an Anna, dass er wegen eines Notfalles später käme und sie inzwischen mit den Kindern losfahren sollte, und schaltete das Gerät dann auf lautlos. Seine Frau würde wütend sein, aber das nützte nichts. Dies hier ging vor.
    Mark setzte sein väterliches Lächeln auf, nahm im Sessel neben der Patientin Platz und wartete darauf, dass sie mit dem Problem herausrückte. Sie saß ganz gerade, ohne sich anzulehnen, die Augen auf die Wand gerichtet, Unterkiefer und Kinn kämpferisch nach vorn geschoben. Nur ihre Hände verrieten die Nervosität. Sie waren verflochten, die Finger wanden sich unentwegt umeinander,

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