Sensenmann
willkommen.
Neben der Terrassentür hatte er dann im Schatten der Nacht gewartet, bis sie das enervierende Maunzen ihres fetten Katers
gehört und die Tür geöffnet hatte. Es war ein Leichtes gewesen, die schwere Frau in den Raum zurückzustoßen und die Tür zu schließen. »Wenn du schreist, bist du tot!« Die leisen Worte im Zusammenhang mit dem Anblick der Pistole hatten gewirkt. Isolde Semper war ohne einen Mucks in ihre Küche getaumelt und hatte sich auf einen Stuhl plumpsen lassen.
Die Leute waren so dumm. Schreien war das einzige Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen, aber alle glaubten sie, wenn man nur den Kommandos folgte, würde sich alles noch zum Guten wenden.
Und da saß er nun. Mit Isolde Semper an einem Tisch. In fast der gleichen Konstellation wie damals im Heim, nur dass sie die Rollen vertauscht hatten. Die Peinigerin war jetzt das Opfer und er der Strafende.
Die Suppe musste inzwischen fast kalt sein. Aber es ging hier ja nicht um Genuss. Er hatte ihr Bohneneintopf vorgesetzt – weil er es sich witzig vorstellte, wie sie die halbzerkauten Bröckchen wieder herauskotzte. Der Eintopf allein war noch nichts Schlimmes. Die halbe Packung Salz, die er darin aufgelöst hatte, jedoch schon. Doch nun wollte die Walze nicht nach seinen Vorstellungen agieren. Matthias Hase strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn, horchte nach innen. Betrachtete dann das rote Gesicht mit den verquollenen Augen. Ihr Blutdruck musste auf zweihundert sein, so wie sie aussah. Beeil dich , flüsterte die Stimme der kleinen Melissa in seinem Kopf, nicht dass sie noch kollabiert!
»Na gut. Dann machen wir es anders.« Matthias Hase stand auf und ging um den Tisch herum. Die Semper musste diese Suppe essen. Und dann noch einen Teller und noch einen. Bis sie kotzte. Das war das Mindeste, was er tun konnte.
Es war zu erwarten gewesen, dass sie sich weigern würde, ihr Erbrochenes wieder aufzulöffeln, aber nun wollte sie noch nicht einmal den Mund aufmachen. Sie war eben auch kein Kind, das
man mit Drohungen und Schlägen einschüchtern konnte. Doch er hatte vorgesorgt. Dann würde der Marmeladentrichter eben sofort zum Einsatz kommen. Matthias legte seine Hände auf die Schultern der Frau und betrachtete das dünne Haar. Am Scheitel wuchs es grau nach.
Da hatte er nun vorhin einen dieser alten Sessel mit hölzernen Armlehnen aus dem Wohnzimmer herangewuchtet, um sie darauf ordentlich festschnallen zu können, aber an ein Fixieren des Kopfes hatte er nicht gedacht. Die Rückenlehne des Sessels reichte leider nur knapp bis über die Schultern der Alten. Und er würde beim Füttern keine Hand frei haben, um auch noch ihren Kopf festzuhalten.
Matthias Hase sah sich in der Küche um und begann dann, das Sitzmöbel mitsamt der gefesselten Frau in Richtung Wand zu zerren. Das Knirschen und Quietschen erschien ihm übermäßig laut. Die geschwungenen Holzbeine hinterließen tiefe Kratzspuren auf dem Linoleum. Der fette Kater, der das Ganze bisher mit gelangweiltem Gesichtsausdruck aus dem Wohnzimmer beobachtet hatte, kam herbeistolziert und streckte sich beim Gehen.
»Was soll das denn werden?« Isolde Semper klang noch wütender als vorher. Sie war noch genauso herrisch wie früher, und sie hatte augenscheinlich noch immer nicht begriffen, dass Zorn und Starrsinn in ihrer Lage mit Sicherheit kontraproduktiv waren.
»Warte es ab, meine Beste.« Matthias Hase machte einen fast tänzerisch anmutenden Schritt zur Seite und schob den Sessel dann die letzten Zentimeter bis dicht an das hohe Regal, das der Semper als Raumteiler diente. Es besaß keine massive Rückwand, sondern die Bretter waren lediglich mit kupferfarbenen Metallstäben verbunden.
Als er die Rolle Gewebeband holte, flackerte das Verstehen wie ein unruhiges Feuer in Isolde Sempers Augen, und sie begann, heftig an ihren Fesseln zu zerren, aber das nützte ihr nichts. Es
dauerte nur wenige Minuten, dann war ihr Kopf nach hinten geneigt und an einem der Stäbe fixiert. Wie ein silbernes Stirnband schmückte das Klebeband ihren Kopf. Matthias Hase lächelte.
»So, und nun zurück zu der Suppe, die ich für dich vorbereitet habe. Möchtest du, dass ich sie noch einmal aufwärme?«
Isolde Semper schielte zur Mikrowelle und presste dann ihre Lippen fest zusammen. Er nahm es als ein Nein. Wahrscheinlich wollte sie nicht mehr mit ihm kommunizieren. »Wie du willst.« Ein nochmaliges kurzes Grinsen. Sie würde schon noch begreifen, dass das hier kein
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