Sensenmann
Spiel war. Der Kater saß jetzt neben der Spüle auf der Arbeitsplatte und betrachtete mit schiefgelegtem Kopf den kalten Bohneneintopf. Matthias Hase zupfte seine Gummihandschuhe zurecht, suchte dann in den Schränken der Frau nach einem Krug und füllte die Suppe hinein.
»So, und nun wirst du dein Süppchen essen. Und mit ›essen‹ meine ich ›aufessen‹.«
Isolde Sempers Augen verengten sich, während er sich mit Trichter und Krug näherte. Ihr Gesicht war noch immer hochrot, und sie schnaufte wie ein asthmatisches Walross. Warum schrie die Frau nicht? Stattdessen knurrte sie nur tief im Hals und kniff die Lippen aufeinander. Womöglich war es ihr vor den Nachbarn peinlich, dass sie hier saß und malträtiert wurde?
»Los geht’s.« Mit der linken Hand drückte Matthias Hase die Nasenflügel der Frau zusammen, seine Rechte hielt den großen Trichter wartend über ihren Mund. Es dauerte nicht lange und sie schnappte nach Luft. Schnell rammte er die metallene Öffnung zwischen ihre Zähne und hob den Krug.
»Guten Appetit.« Mit leisem Plätschern plumpsten braunrote Kidney-Bohnen in das Edelstahlrund und verschwanden in der Öffnung. Er trat einen Schritt zurück, weil er wusste, was jetzt kam. Isolde Semper gurgelte und begann zu husten. Da ihre Hände gefesselt waren, konnte sie sich nicht helfen und sprudelte einen Teil des Bohneneintopfs auf ihr faltiges Dekolleté.
»Schmeckt wohl nicht?«
»Entfernen Sie sofort die Fesseln!« Die Augen der Frau glühten, während sie die Worte hervorfauchte.
»Liebe Frau Semper, Sie haben noch immer nichts begriffen.« Er kniff ein Auge zu. »Sie und ich, wir brauchen dieses Hilfsmittel, da Sie sich strikt weigern, Ihre Suppe allein zu essen.«
»Das, was Sie Suppe nennen, ist total versalzen!«
»Ach ja?«
Matthias Hase dachte für einen Moment an die kleine Melissa, während er Krug und Trichter auf einem Beistelltischchen absetzte. »Da ist nichts versalzen. Das muss eine Sinnestäuschung sein. Und nun empfehle ich Ihnen, dass Sie endlich vernünftig sind und kooperieren, sonst wird es unangenehm.«
»Nichts werde ich tun! Machen Sie endlich die Fesseln ab!«
Fast hätte er über ihre Dummheit gelacht. »Jetzt mal im Ernst, Frau Semper. Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Lage, und erzählen Sie mir dann, wer hier das Sagen hat.« Die Angesprochene schüttelte heftig den Kopf.
»Nicht? Auch gut. Ich glaube, Sie wissen es auch so. Was Ihnen aber noch nicht aufgegangen zu sein scheint, ist der Grund, warum dies alles geschieht. Oder dachten Sie, ich bin zufällig bei Ihnen gelandet, um Sie mit Suppe zu füttern, die nach Ihren Worten auch noch versalzen ist?« Matthias Hase machte eine kurze Pause und ließ die Worte wirken, ehe er fortsetzte. »Zum letzten Mal: Essen Sie jetzt von allein oder nicht?«
Isolde Semper schob den Unterkiefer vor und quetschte ein »Nein« heraus. Ihre Augen lauerten.
»Dann muss ich Sie weiter füttern.« Matthias Hase griff nach ihren Nasenflügeln.
Wieder quoll braunrote Flüssigkeit in den Trichter. Erneut hustete und spuckte die Frau, aber diesmal trat er nicht zurück, sondern füllte einfach weiter halbflüssigen Brei nach.
Während die Walze an versalzenen Bohnen und Kartoffelstückchen
würgte, überlegte er, dass die Methode mit dem an den Metallstab geklebten Kopf nützlich für das Einfüllen der Suppe war, aber nicht dafür taugte, wenn sie sich erbrach. Was unweigerlich passieren würde, wenn sie zwei, drei Rationen und damit auch eine halbe Packung Salz intus hatte. Er wollte nicht, dass sie an ihrem Erbrochenen erstickte, also würde er sie vom Rohr losschneiden und an den Tisch setzen müssen, bevor der Brei wieder aus ihr herauskam.
Die letzten Tropfen platschten in den Trichter. Matthias Hase wartete noch einen Augenblick und stellte dann die Gerätschaften auf den Beistelltisch.
»Na, wie hat dir das geschmeckt?« Er konnte sie mit dem Würgereiz kämpfen hören, während er das Gewebeband zwischen Kopf und Rohr vorsichtig mit dem Teppichmesser durchtrennte. Vielleicht würde er die beiden weiteren Büchsen, die schon geöffnet neben dem Herd standen, gar nicht brauchen.
Wieder ratschten die Sesselbeine über das Linoleum. Er ruckte und schob, bis Isolde Sempers unförmiger Bauch die Tischkante berührte. Da ihre an die Lehnen gefesselten Arme unter der Platte verschwunden waren, hätte ein Außenstehender den Eindruck gewinnen können, sie habe sich ganz normal zu einer Mahlzeit an ihrem Küchentisch
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