Sensenmann
Ende.
»Vor dem Abbruch führen wir immer eine Gesamtkontrolle durch.« Fred Möllek, Chef der Abrisstruppe, erklärte, dass er und seine Kollegen immer alle Räume überprüfen. Die Abnahme begänne immer im obersten Stockwerk, dann arbeiteten sich die Männer bis zum Erdgeschoss vor.
Im vierten Stockwerk sei ihnen als Erstes der Geruch aufgefallen. Ein Geruch von verwesendem Fleisch, der die Bauarbeiter zuerst an einen toten Vogel denken ließ. »Manchmal fliegen sie durch die kaputten Fenster und finden nicht wieder heraus«, so Holger Schmalmann, der die Wohnung zuerst betreten hat. Schon im Korridor seien ihm dann Unmengen von Fliegen entgegengekommen. Die Leiche habe im Bad in einer Badewanne gelegen, doch »anfangs haben wir gar nicht sehen können, dass sich dort tatsächlich menschliche Überreste befanden, weil die Fliegenlarven sie von oben bis unten bedeckt hatten«, setzt Schmalmann fort.
Neben den Spalten prangte ein großformatiges Foto mit der Unterschrift »Foto Tom Fränkel«. Ein Plattenbaublock ragte leicht schräg nach oben, die eingeschlagenen Fenster fletschten schwarzen
Mäulern gleich gezackte Zähne. Am unteren Rand leuchtete rot-weißes Absperrband mit den schwarzen Blockbuchstaben »Polizeiabsperrung«.
Lara trank einen Schluck Wasser. In ihrem Kopf begann es schon wieder zu pochen. Sie betrachtete mit aufeinandergepressten Lippen den verwaisten Schreibtisch gegenüber. Tom hatte genau wie sie Frühschicht, war aber außer Haus. Vielleicht recherchierte er für seine Fortsetzung.
Sie klickte den Artikel weg und rieb sich mit den Fingerspitzen über die Stirn.
»Lara Birkenfeld von der Tagespresse , genau. Ich hätte noch ein paar Fragen zu dem Toten aus dem Abbruchhaus in Grünau.« Lara klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter und betrachtete die weiß-grauen Rauchspiralen, die sich von Friedrichs Zigarette nach oben kringelten. »Ich weiß , dass Sie meinem Kollegen gestern schon Auskunft erteilt haben. Tom Fränkel und ich bearbeiten den Fall gemeinsam.« Kurze Pause. »Ich verstehe. Können Sie mir denn wenigstens sagen, ob der Obduktionsbericht inzwischen vorliegt?« Während sie der Antwort des Pressesprechers lauschte, verdrehte sie die Augen nach oben. Friedrich grinste.
»Dann danke. Ja, das machen wir.« Lara legte auf.
»Ihr bearbeitet den Fall also ›gemeinsam‹, hm?« Friedrich grinste.
»Was soll ich denn deiner Meinung nach machen? Alles, was mit Gericht und Polizei zu tun hat, ist mein Ressort. Tom hat den Fall einfach an sich gerissen.«
»Lass ihn doch einfach. Sieh es mal so«, Friedrich nahm noch einen tiefen Zug, dann drückte er den Stummel aus, »es erspart dir allerhand Arbeit. Und der nächste Fall gehört dann wieder dir.«
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Lara schaute in die grelle Nachmittagssonne
und unterdrückte ein Niesen. Vorn links bog Jo um die Ecke und kam schnell näher. Seine Fotoausrüstung schaukelte im Takt seiner Schritte vor und zurück. »Na, ihr zwei Hübschen?« Dabei blickte er Lara an. Sie fand, dass seine Augen in der Sonne in einem noch intensiveren Blau strahlten als sonst.
»Hallo, Jo.« Friedrich setzte sich in Bewegung. »Ich geh wieder rauf, sonst meckert der Hampelmann, wenn die Rauchpause zu lange dauert.« Der Fotograf folgte ihm.
Lara warf einen sehnsüchtigen Blick auf die gegenüberliegende Seite des Platzes, wo Springbrunnen und Eisverkäufer Urlaubsflair verbreiteten. »Ich komme auch gleich. Muss noch ein Telefonat erledigen.« Sie wartete, bis die beiden Männer im Eingang verschwunden waren, und wählte dann Marks Telefonnummer.
»Ich habe bis jetzt nichts Interessantes herausfinden können. Seit ich nicht mehr mit der Kripo zusammenarbeite, sind meine Quellen versiegt. Tut mir leid, Lara.«
Mark klang kurzatmig, und Lara fragte sich, wobei sie ihn gerade gestört hatte. »Ich wollte auch keine Interna hören, nur deine fachliche Meinung über den Fall, das hatte ich dir ja gestern Nachmittag schon gesagt. Mein Kollege Tom hat sich in die Berichterstattung hineingedrängelt, und ich will ihm das Feld nicht kampflos überlassen. Leider hält sich auch der hiesige Pressesprecher bedeckt, sie geben aus ermittlungstaktischen Gründen keine Details aus dem Obduktionsbericht bekannt. Aber einem der Kripobeamten ist etwas herausgerutscht. Er hat wortwörtlich gesagt: ›Er wurde ertränkt.‹« Lara hörte Mark atmen. Es dauerte einen Moment, bis er antwortete.
»Er wurde ertränkt? Ja, dann war es
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