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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Hautschüppchen oder Fingerabdrücke im Audi verblieben, machte er sich keine Gedanken. Es ließ sich sowieso nicht völlig vermeiden und die Bullen hatten schließlich nichts, womit sie es vergleichen konnten. Die Sagorski lag jetzt wieder still, aber ihre Augen funkelten noch immer vor Zorn.
    »Also gut. Dann wollen wir mal.« Matthias legte die Sackkarre neben den Kofferraum, dann beugte er sich über die Öffnung und versuchte, sein Opfer herauszuwuchten. Die gefesselte Frau kam ihm noch schwerer vor als beim Hineinheben. Aber davon ließ sich ein starker Mann mit trainierten Muskeln nicht abschrecken, und gleich darauf plumpste das verschnürte Paket auch schon auf den Weg. Er rollte das Bündel Mensch auf die Karre, wickelte Spanngurte um Körper und Metallstreben und richtete dann das Vehikel auf. »Und los geht’s!« Sie antwortete mit einem dumpfen Laut. Die Räder holperten über Wurzeln und Steinchen.
    Matthias betrachtete den grauen Haaransatz, der vor ihm
von links nach rechts schwankte. Mindestens vier Wochen nicht nachgefärbt. Nicht sehr sorgfältig, meine Liebe. Mondlicht zeichnete den Waldweg als hellen Streifen zwischen den Bäumen vor. Der Weg öffnete sich auf eine Lichtung, in deren Mitte ein abgestorbener Baum einen dunklen Buckel bildete. Matthias stellte das Gefährt mit der Frau neben der nach oben ragenden Wurzelscheibe ab. Die Naturgewalten hatten ihm hier ein schönes tiefes Erdloch zur Verfügung gestellt, ohne dass er lange graben musste. Die Sagorski schien zu ahnen, was sie erwartete, denn sie zappelte jetzt stärker und sog heftig schnaufend Luft durch die Nase.
    Er würde sie erst einmal beruhigen müssen, um sie in dem Glauben zu lassen, sie könne das Geschehen noch beeinflussen. Zuerst die Informationen, dann die Strafe, aber das brauchte die Heimleiterin jetzt noch nicht zu wissen. Mit einem schnellen Ruck zog er ihr das Paketband vom Gesicht. Sie riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Matthias gab ihr ein paar Sekunden zur Beruhigung, ehe er sprach. »Nun, Frau Sagorski, Sie wollten bisher nicht mit mir sprechen. Das war vorgestern, am Sonntag  – erinnern Sie sich?« Der Mond leuchtete so hell, dass er seine Taschenlampe nicht brauchte. Die Frau presste als Antwort nur die Lippen aufeinander, und so fuhr er fort. »Ich habe Ihnen erzählt, dass ich im Kinderheim ›Ernst Thälmann‹ war und dass ich auf der Suche nach meiner Schwester bin. Sie war mit mir in diesem Heim und verschwand eines Tages. Wahrscheinlich wurde sie adoptiert. Mandy hieß sie.« Das sommersprossige Gesichtchen seiner Schwester tauchte vor Matthias’ innerem Auge auf. Die Zöpfchen schaukelten sacht.
    »Ich … «, die dicke Frau räusperte sich und leckte mit der Zungenspitze über ihre Lippen, »ich kenne Ihre Schwester nicht.«
    »Soso. Können Sie sich denn an mich erinnern?«
    »Was, wenn ich es tue?« Der schmale Mund hatte einen hinterlistigen Zug bekommen. Die kleine dicke Frau wagte es doch tatsächlich, in ihrer Lage zu pokern.

    »Sie sollten sich in Ihrem eigenen Interesse lieber fragen, was geschieht, wenn Sie es nicht tun!« Matthias versetzte dem Metallgestell einen Fußtritt, und die Karre kippelte, fiel aber nicht um.
    »Also gut. Ja, ich erinnere mich, dass Sie im Heim waren.«
    »Sehr schön, Frau Sagorski. Und was ist nun mit meiner kleinen Schwester? Mandy war zierlich, rotblond, mit vielen Sommersprossen und trug gern Zöpfe.«
    »Nein. Tut mir leid.« Sie schüttelte den Kopf, so gut das mit den ganzen Fesseln möglich war.
    »Frau Sagorski! Ich rate Ihnen zum letzten Mal, kooperativ zu sein!« Noch ein energischer Tritt. »Dann kann das Ganze hier noch glimpflich für Sie ausgehen!« Würde sie ihm das abnehmen?
    »Aber… ich weiß es wirklich nicht! Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich etwas wüsste! Bitte!« Jetzt begann sie zu schniefen. Selbstmitleid.
    »Ab wann waren Sie Heimleiterin im ›Ernst Thälmann‹?«
    »Mai 1984.« Sie zog die Nase hoch.
    Matthias benagte seinen rechten Daumennagel, während er nachrechnete. Er wusste nicht genau, wann Mandy verschwunden war, aber sie war etwa zehn Jahre alt gewesen. Es konnte stimmen. Vielleicht war seine Kleine schon weg gewesen, als die Sagorski die Heimleitung übernommen hatte. »Also gut. Vielleicht haben Sie sie wirklich nicht mehr kennengelernt.« Die ehemalige Heimleiterin nickte hastig und schniefte noch einmal.
    »Ich hätte aber noch ein paar andere Fragen.« Er nahm Notizbuch und Kugelschreiber aus der Tasche

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