Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
laufen konnte, floh so schnell die Füße trugen. Auf dem Landweg war kein Ausbruch mehr möglich, also wagten viele die Flucht über die noch teilweise zugefrorene December Bay. Die Opreju scheuten die Verfolgung über die unsichere Eisschicht und ließen den geschlagenen Gegner ziehen, wissend, spätestens in Stoney Creek wieder auf ihn zu treffen. Mein Heimatdorf war ohne Verteidigungsanlagen, schwach und schutzlos, ein kleines unbedeutendes Fischernest am nordwestlichsten Ende der menschlichen Zivilisation. Hunderte von Flüchtlingen drängten sich nun dort, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Von den Männern in verteidigungsfähigem Alter waren nicht mehr viele übrig, der Großteil lag erschlagen auf den Schlachtfeldern Aotearoas. Das letzte wehrfähige Aufgebot war mit Cape Travis untergegangen.
Es gab Pläne, so viele Frauen und Kinder wie nur möglich auf die Inseln in der Bay of Islands überzusetzen, um sie dem Zugriff des Feindes zu entziehen. Doch die starken Spätwinterstürme, die zu dieser Zeit tobten, machten diese letzte Hoffnung zunichte. Stoney Creek entpuppte sich als Falle. Es blieb nichts weiter als auf das Ende zu warten.
Was sich in den frühen Märztagen des Jahres 281 in meinem Dorf abspielte, kann ich nur vage erahnen. Tragödien unermesslichen Ausmaßes sind überliefert, von ganzen Familien, die kollektiv Selbstmord begingen, ist die Rede. Mütter töteten ihre Kinder, um ihnen ein grausames Ende zu ersparen. Den wenigen Verteidigern, die tatenlos zusehen mussten, wie sich die ungewisse Zukunft – aber immerhin
die Zukunft
– der Menschheit, ihre Frauen und Kinder, selbst auslöschten, mag es um den Verstand gebracht haben. Niemand weiß, wie viele Menschen den Freitod gewählt hatten, ihrem Leben selbst ein Ende setzten, um sich damit dem vermeintlich sicheren Tod durch Feindeshand zu entziehen.
Und dann geschah das Unbegreifliche. In letzter Sekunde wendete sich das Blatt. Kein einziger Opreju erreichte je Stoney Creek. Der letzte Akt der Invasion blieb aus. Was genau sich ereignet hatte, das zum Rückzug der Opreju führte, liegt im Dunkeln. Die Invasoren verließen Aotearoa und zogen sich unverrichteter Dinge wieder in die wärmeren Gebiete südlich des Barrieregebirges zurück.
Die überlebenden Menschen konnten ihr Glück kaum fassen.
Aus welchem Grund die Opreju den ihnen nicht mehr zu nehmenden Sieg verschenkte, ist bis zum heutigen Tag ein Rätsel. Erst mit meiner Entdeckung der Aufzeichnungen von Radan lüftete sich der Vorhang ein klein wenig. Heute wissen immerhin drei Menschen etwas mehr über die Hintergründe der damaligen Vorgänge. Zwei von ihnen standen nun vor den Ruinen der einst mächtigsten Stadt Gondwanas und blickten hinab auf die Trümmer menschlicher Geschichte.
„Seht euch das an“, sagte ich zu meinen Gefährten. „Ich habe ja schon einiges über Hyperion gehört, aber dass die Stadt so beeindruckend gewesen sein muss, ist mir neu.“
„Imposant fürwahr“, sagte Luke. „Und so gut erhalten. Kaum zu glauben, dass sie schon vor dreihundert Jahren untergegangen ist.“
„Wir sind nur noch nicht nahe genug dran“, meinte ich skeptisch. „Aus dieser Entfernung erscheint sie fast intakt. Wenn wir morgen die Straße hinuntergehen, wird sich das Bild sicherlich ändern. Für heute ist es zu spät.“
Von meiner Abneigung, die Ruinenstadt zu betreten, wollte ich zunächst nichts verlautbaren lassen. Wie hätte ich es ihnen beibringen sollen, jetzt so dicht vor dem Ziel der Reise, nach all den Strapazen, die hinter uns lagen? Wie wollte ich Rob hier finden? Falls er sich überhaupt in Hyperion aufhielt. Inzwischen nahm ich meine starken Zweifel ernst. Ich spürte es. Wir waren zu spät. Rob war schon nicht mehr hier.
„Gut.“ Krister fügte sich überraschend schnell. „Dann lasst uns ein Lager für die Nacht suchen. Es sieht nach Regen aus, wir sollten uns also nach einem trockenen Unterschlupf umsehen.“
Wir wurden schnell fündig. Die Berghänge, die Hyperion wie ein Schutzschild umgaben, boten eine Vielzahl an Verstecken. Eine Höhlung, die genug Platz für drei erwachsene Männer zum Schlafen bot, erschien günstig. Selbst Regen konnte uns in ihr wenig anhaben, und der drohte in der Tat. Noch vor der regulären Dämmerung wurde es dunkel. Tief hängende schwarze Wolken zogen vom Meer heran und zwangen das Land in eine frühe Nacht.
„Merkwürdiges Gefühl, Hyperion so nahe zu sein“, bemerkte Luke beim Ausbreiten der von der
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